Gefühlskälte


Nachdem ich das Interview mit der Regisseurin von "Ben Niao" geführt habe, ist mir Vieles klarer geworden und es hat dazu beigetragen, den Film mehr zu schätzen.

Schon während des Films ist mir aufgefallen, wie wahrheitsgetreu die Lebensumstände der 16 jährigen Lynn dargestellt sind. Der gravierende Punkt dabei ist, dass das nicht nur die Welt von Lynn, sondern alle Bürger der Mittel-/Unterschicht in chinesischen Kleinstädten betrifft.

Durch den sparsamen Einsatz von Musik und vieler wiederauftauchenden Szenen, überträgt sich das schleppende Gefühl sehr gut auf den Zuschauer. Das mag vielleicht langweilig und zäh wirken, ist aber genau das Ziel des Films gewesen.
Keine hässliche Ecke wird ausgespart, die unhygienische Ernährung und die unelegante Esssittsamkeiten werden einem auf der Leinwand zu Gesicht gebracht.

Unnatürlich für eine chinesische Schülerin bei solchen Verhältnissen ist in diesem Fall die Strebsamkeit in der Schule, die hier eigentlich komplett außen vor gelassen wird. Lynn hat anscheinend ganz andere Sorgen, z.B. wie sie nach der Schulzeit ihr Geld verdienen soll. Denn nicht jeder kann es auf die Hochschule schaffen.

Auch die Symbolik gefällt mir im Nachhinein gut, da sie sehr treffend- und erst auf den zweiten Blick erkennbar ist.
Um als chinesischer Bürger solch einen Film zu veröffentlichen, muss man mutig sein. Selten kritisieren Menschen aus diesen Regionen ihr eigenes Heimatland so drastisch, vor allem öffentliche Ämter wie die Polizei oder Lehrer. Meinen Respekt gehört dem Filmteam.

Trotzdem geht man mit einem Gefühl, dass irgendetwas gefehlt hätte, aus dem Film. Und zwar die fehlende Zuneigung oder Liebe, die bei keiner Person verspürt wird. Die positiven Gefühle bleiben in „Ben Niao“ einfach fern, was in manchen Ortsteilen Chinas ein gewaltiges Problem ist. Nämlich die fehlende Menschlichkeit…
13.2.2017, Eva Swiderski

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