Who says blind people can't dance?


- eine Kritik zu Mulher Do Pai

Die 16-jährige Nalu muss plötzlich Verantwortung übernehmen: Ihr Vater ist seit dem 23. Lebensjahr blind und ist nun auf ihre Hilfe angewiesen.
Doch Nalu will weg, sie möchte ihr eigenes Leben führen. Uruguay ist das erklärte Ziel.
Durch die neue Konfrontation und die Auseinandersetzung mit ihrem Vater und der neuen Verantwortung, werden die Entscheidungen, die sie trifft, zunehmend erwachsener, sie wird erwachsener.

Die Geschichte wird bedacht und entschleunigt erzählt, wir erleben längere Einstellungen ohne Dialog und ohne viel Bewegung.
Das Licht ist ruhig und dunkel. In mehreren Totalen sehen wir die trübe, verschlafene Gegend im Süden Brasiliens, in der Nalu und ihr Vater wohnen.
Technisch und schauspielerisch gibt es an „Mulher do Pai“ nicht wirklich etwas auszusetzen.
Der Film ist in sich schlüssig, die Beziehungen zwischen den Charakteren sind authentisch und verändern sich nicht unnatürlich schnell.
Das klingt erst einmal gut, doch fehlt dem Film das besondere Etwas, das narrativ oder cinematographisch Eigene.

Manchmal lauscht der Vater seiner Tochter am Telefon. Sie spricht über ihre sexuellen Erfahrungen, er atmet schwer.
Hier spüren wir seine Ungewissheit, sein Gefühl der Machtlosigkeit, Spannung entsteht.
Wie wird er nun mit seiner Tochter umgehen?
In einer anderen Szene spricht er über seine Angst zu vergessen. Er nimmt das Gesicht der Großmutter anders wahr, als er es in Erinnerung hat.
Wird er sich mit solchen Themen auseinandersetzen oder hat er sich schon längst damit abgefunden?
Wie Nalu durchlebt auch er eine Veränderung, eine Entwicklung. Dennoch greift der Film die eben gestellten, existentiellen Fragen nicht mehr weiter auf.

Der Fokus wird eher auf die Beziehung zwischen Vater, Tochter (und Lehrerin), auf den visuell sichtbaren Umgang des introvertierten, lethargischen Vaters mit der Blindheit und auf die neuen sexuellen Erfahrungen seiner Tochter gelegt. Der Film orientiert sich also eher am Offensichtlichen.
Doch auch hier treten Spannung, geschweige denn eine spürbare Atmosphäre, nur vereinzelt auf.
Zwar ändert sich im Laufe des Films die Einstellung der Charaktere gegenüber bestimmten Themen, doch wird hier zu sehr an der Oberfläche gekratzt.
Ein blinder, hilfs -und liebesbedürftiger Vater und ein Mädchen, das erwachsen wird und sich vom Elternhaus lossagen möchte.

Obwohl „Mulher do Pai“ diesen Plot nicht gänzlich ausspielt und weder ein merklich berührendes Drama noch ein konsequent emotionaler Familienfilm ist, handelt es sich bei dem Film immer noch um einen soliden Vertreter für die Sektion „14plus“, der in im visuellen und darstellerischen Bereich durchaus anspricht, aber nicht unbedingt im Gedächtnis bleibt.

14.02.2017, Vincent Edusei

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