Das Problem


Der brasilianische Film „Don‘t Swallow My Heart, Alligator Girl!“ lässt mich mit einem Runzeln auf der Stirn im Kinosessel sitzen. Ein Film mit einer guten Idee, einem wichtigen Thema und einer herausragenden Bildsprache, trotzdem ist bei der Umsetzung der Idee etwas schief gelaufen, aber was?

Zwischen Brasilien und Paraguay liegt der Grenzfluss Rio Apa. Der Konflikt zwischen den beiden Ländern ist nicht zu übersehen: verfeindete Bikergangs, tote Männer im Fluss, selbst die Kindern können den gegenseitigen Hass gegen einander nicht vergessen. In Mitten dieses Konflikts verliebt sich Joca in das Alligator-Mädchen Basano, die auf der anderen Seite des Flusses lebt. Die Liebesgeschichte bildet zwar den Rahmen der Handlung, steht jedoch nicht so sehr im Mittelpunkt wie erwartet.

Der brasilianische Filmemacher Felipe Braganca verbindet in seinem Film sehr viele Themen zu einer Geschichte und vielleicht trägt auch das dazu bei, dass man sich nicht in die Geschichte fallen lassen kann. Neben dem Konflikt der beiden Länder und einer zerstörten Familie behandelt dieser Film auch den unter der Oberfächer wirkenden Rassismus gegen die Naturvölker Brasiliens. Dieser spiegelt sich durch kleine Bemerkungen zwischen den jugendlichen in der Bikergang wieder. Später im Publikumsgespräch erzählt die Schauspielerin mit großen Worten, dass dieser Konflikt immer noch aktuell ist und sie als selbst davon betroffen ist.


Felipe Braganca verarbeitet außerdem die Mystik der Ureinwohner in seinem Film, indem er durch lange Kameraeinstellungen und Szenen ohne Worte eine Spur Märchengeschichte in die Handlung einfließen lässt. Die Einteilung des Filmes in Kapitel und die oft sehr poetische Sprache lassen den Film teilweise zu einer Art Legendengeschichte über das Alligatormädchen und den Fluss Rio Apa werden. Im starken Kontrast dazu steht die Bikergang und die Brutalen Erlebnisse von Jocas großem Bruder. Dadurch schwankt der Fokus zwischen Legende und Wirklichkeit, Liebesgeschickte und Grenzkonflikt und legt sich nicht eindeutig auf ein Thema fest.

Das Problem bei diesem Film war für mich, dass ich mir mehr von dem Thema als solches, als von der im Film erzählen Geschichte berührt gefühlt habe. Es war schwer sich mit den Personen im Film identifizieren zu können. Ich musste eine Weile darüber nachdenken woran das gelegen hat und dabei ist mir wieder einmal aufgefallen, dass ein Regisseur die Schauspieler in einem Film auf zwei Weisen porträtieren kann. Entweder man lässt die Protagonisten die Emotionen spielen und zeigt offen ihre Gefühle oder man lässt die Kamera eher observieren und die Personen wenig sprechen. Letzteres ist sicherlich die schwierigere Option, da die Schauspieler dafür eine starke und besondere Persönlichkeit haben müssen, wenn man das Publikum trotzdem berühren will. Die Schauspielerin der Basano hat dies erfüllt, aber der Schauspieler des Joca hat für mich nicht so stark in seiner Rolle gestanden.

Dennoch hat dieser Film eine wunderschöne Kameraführung und ist im allgemeinen sehr ästhetisch. Die Bilder und Farben harmonieren sehr und die oftmals langen Kameraeinstellung geben dem Zuschauer Zeit die Schönheit der Natur zu verstehen. Gleich zu Beginn des Filmes entsteht ein sehr schönes Bild in dem Joca dem Alligatormädchen Basano auf einem Kornfeld hinterherrennt. Das weitbild(breitbild) Format der Filmes und die lange, stehende Kameraeinstellung lässt die beiden vom einen Ende der Kinoleihwand zum anderen rennen, ein sehr schönes Bild wie ich finde.

Man kann also zusammenfassend sagen, dass dieser Film die Augen des Publikums auf mehrere wichtige Konflikte lenkt, aber oftmals verwirrend zwischen den Themen schwankt. Durch diesen Mangel an Fokus und den teilweise schwachen Charakteren in die man sich schwer einfühlen konnte wird „Don‘t Swallow My Heart, Alligator Girl“ leider zu einem Film, der sich selbst das Bein gestellt hat. Trotzdem habe ich großen Respekt vor dem Thema und bin sehr fasziniert von der Ästhetik dieses Filmes.
13.02.17, Liv Thastum

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