Auf der Suche nach Geborgenheit

Donnerstag 17.00 Uhr, nach sechs Tagen intensiver Berlinale ist dem Publikum die Erschöpfung deutlich anzusehen, trotzdem ist jeder noch voll Leidenschaft und Vorfreunde dabei, als sich das Filmteam von „The Inland Road“ in dem Saal einfindet und der geliebte Berlinale-Vorspann ertönt. Der Film beginnt. Wir sehen eine lange Landstraße, links und rechts Graslandschaft Neuseelands, weit und breit nichts anderes. Am Straßenrand ein Mädchen, Anhalter. Wo will sie hin?

„The Inland Road“ erzählt die Geschichte des 16-Jährigen Maori-Mädchens Tia. Nachdem sie wegen eines Streites mit ihrer Mutter von zu Hause weggelaufen ist reist sie per Anhalter über die Südinsel Neuseelands – ohne größeres Ziel. Mal fährt sie hier ein paar Kilometer, dann beim nächsten und wiedernächsten, bis ein Autofahrer, der sie mitnimmt, die Kontrolle über seinen Wagen verliert und Tia in einen schrecklichen Autounfall gerät, bei dem nur sie und der Fahrer Will überleben. Da Tia keinen Ort hat, zu dem sie gehen kann, zieht sie auf unbestimmte Zeit bei Will und dessen Frau Donna ein, bei der Tias Anwesenheit von Anfang an Unbehagen auslöst. Doch trotzdem bleibt Tia vorerst und es entsteht eine innere Reise und Entwicklung, an deren Ende sie sich seit langem wieder geborgen fühlt und ein Umfeld und Ort hat, den sie gerne als ihr zu Hause bezeichnen würde, was auch an der 4-Järigen Nichte Wills liegt, für die Tia eine Art Mutterrolle übernimmt.

Vorsichtig werden an den Zuschauer die verschiedenen Charaktere herangeführt, die von Grund auf sehr kontrastreich sind, sich im Laufe der Geschichte aber austauschen, auf verschiedenen Ebenen begegnen und harmonieren. Zum einen ist dort das aus dem Norden stammende Maori Mädchen das gar nicht in die Welt, in die es eindringt, zu passen scheint. Denn hier herrscht der geordnete Alltag, Will und Donna, die bald ein Kind erwarten betreiben eine Farm und vertieft in den Aufbau eines Familienlebens. Der Tod von Wills Schwager, der den Autounfall nicht überlebte, bringt Ungleichgewicht in diese Ordnung, sodass alles durcheinander gewürfelt ist, aber trotzdem auf irgendeine Weise funktioniert.

Tia kümmert sich in dieser Zeit um die Tochter des Verstorbenen Schwagers und geht in der Rolle unglaublich auf, sodass ihre durch den Streit und Unfall gedämpfte Lebenslust wieder neu aufgeht. Außerdem kommt sie Will näher – was ebenfalls für neues Lebensgefühl sorgt, gleichzeitig aber eine Menge Verwirrung und Konflikte streut.
Durch „The Inland Road“ bekommen wir den inneren Konflikt eines Jungen Mädchens vermittelt, die sich verloren fühlt und nach Zugehörigkeit und heimatlichen Gefühlen sucht. Tia wird gespielt von Gloria Popata, die in ihrem ersten Film mit überzeugender schauspielerischer Leistung die Visions- und Hilflosigkeit der Protagonistin auf die Leinwand bringt.

Der Film findet genau das perfekte Mittelmaß zwischen der Konfliktdarstellung und einem schön anzusehenden Film. Obwohl das Thema eher traurig ist, hat der Film auch viele Momente, in denen man lachen kann und einem das Herz aufgeht. Dazu lässt er sich durch die tollen Naturaufnahmen Neuseelands und interessanten und abwechslungsreichen Einstellungen sehr gut schauen. Mit einer Länge von 80 Minuten ist der Film zwar relativ kurz, die Handlung außerdem relativ voraussehbar, aber ich konnte jede Minute genießen. Es gibt keine unnötig in die Länge gezogenen Stellen, trotzdem ist jede Szene genug ausgeschmückt.

Wie viele Generation Filme war auch „The Inland Road“ ein Low-Budget Film und wurde nur innerhalb von zwei Wochen gedreht. Die Hauptintention der Regisseurin Jackie van Beek war das Zusammenbringen mehrerer sehr unterschiedlicher Charaktere; während der Produktion hat sie auch noch Vieles verändert, so durften die Schauspieler beispielsweise auch viele Passagen selbst schreiben.
Ich finde Jackie van Beek ist ihrer anfänglichen Filmidee auf jeden Fall gerecht geworden und bringt dem Publikum die Situation der Protagonistin auf eine schöne Weise näher – „The Inland Road“ gehört damit unbedingt zu meinen Favoriten dieses Jahr!


English Version:

"The Inland Road" tells us the story of Tia, a 16-year-old Maori girl from North New Zealand, who hitch-hikes across the south of the island after she had a fight with her mother and ran away from home. When one car had an accident and Tia and the driver Will were the only survivors she moves to the farm of Will and his pregnant wife Donna for a little while.

Even if all characters are quite various (we have the young Maori girl on the one side, the future family with a regulated every day life on the other) they begin to talk with each other and harmonize over time. Especially Tia - who felt hopeless and alone before - finally sense affiliation and a feeling of home. Living on the farm she takes care of Wills four-year-old niece Lily, who opens Tias heart and soul. She also gets closer to Will, Tia becomes happier again – but it also brings up insecurity and conflicts.

The main actor, Gloria Popata, forceful brings the mixed feelings of a young girl who is searching for love and home on the screen. Combined with beautiful paintings of the landscape of New Zealand the film guides us softly across the story, also there are a few scenes where the audience can laugh and is touched from heartwarming conversations.

So for me the film is absolutely one of my favorites this year, the director Jackie van Beek finds a perfect way to tell a story of encounter new and various characters and the feelings of affiliation and security.

18.02.17, Clara Bahrs

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