Das war sie, die 67. Berlinale


Die 67. Berlinale ist nun endgültig vorbei, die letzten Artikel verfasst und bei uns kehrt langsam wieder der Alltag ein. Wir hatten eine tolle Berlinale mit einem wunderbaren neuen Team und möchten die Berlinale nun natürlich noch gebührend verabschieden.
Nicht nur dass wir fünf geworden sind, wir haben es diese Berlinale sogar geschafft, die 5000 Seitenaufrufe für den Berlinalezeitraum zu knacken! Unfassbar!
Wir sind euch allen unglaublich dankbar, die ihr immer so fleißig unseren Blog lest und uns unterstützt!


Sarah Gosten

Diese Berlinale war für mich geprägt von schönen Filmen. Filme, die zwar alle ein ernstes Thema behandeln, aber doch noch recht gut verdaulich sind. Ich hätte mir deswegen noch einen richtigen Schocker gewünscht.
Becoming Who I was, der mich nachträglich berührt hat und As Duas Irenes – und vor allem das anschließende Publikumsgespräch - werden mir bei KPlus noch lange in Erinnerung bleiben. Auch Ceux Qui Font.. und The Inland Road sind definitiv etwas Besonderes.
Ich hatte die Möglichkeit, einige tolle Interviews zu führen, die wundervolle neue Einblicke gaben. Auch die Publikumsgespräche waren meist wunderbar hochqualitativ und aufschlussreich.
Das beste ist aber, dass wir mittlerweile so viele sind. Diese Berlinale war voll von neuen Ideen, einem neuen Teamspirit, den wir vor allem unseren neuen Mitstreitern zu verdanken haben. Gerade dieser Teamgeist hat diese Berlinale zu etwas Besonderem gemacht!

Vivien Krüger

Für mich war die diesjährige Berlinale einfach großartig und eine der schönsten! Die Stimmung, die Filme, die Menschen, die Gespräche – es hat einfach alles gepasst. Insbesondere die Kurzfilme 2 von 14Plus sind mir sehr positiv in Erinnerung geblieben. „In a Nutshell“, ein sehr aufwendig arrangierter und von zahlreichen Assoziationen geprägter Film und der kroatisch-slowenische Film „Into the Blue“, in welchem ein junges Mädchen um die Aufmerksamkeit ihrer besten Freundin kämpft, gehören neben „Wolfe“ und „Sirens“ definitiv zu meinen Kurzfilmfavoriten. Auch unter den Langfilmen gab es dieses Jahr einige außergewöhnliche und ausdrucksstarke Filme. Ich hatte das Gefühl, dass wirklich (fast) jeder von ihnen eine eindringliche und eindeutige Aussage an das Publikum gerichtet und mit seinen meist sehr ernsten, aktuellen und realistischen Problemen die Zuschauer berührt hat. Ein besonderes Highlight war für mich das Interview mit Maryanne Redpath.
Wenn ich die diesjährige Berlinale mit drei Worten beschreiben müsste, wären es: aussagekräftig, vielfältig, mitreißend.

Carlotta Saumweber

Die 40. Berlinale ist zwar jetzt schon eine Woche lang vorbei, aber in meinem Kopf geistern immer noch jeden Tag viele Filme umher und geben mir zu denken. Das ist es, was ich jedes Jahr aufs Neue so toll finde an der Berlinale, so viel habe ich dazugelernt und so viel auch nachgedacht. Teilweise war das natürlich auch super anstrengend und ich wurde zwischendurch zu einem emotionalen Wrack, aber das hat mich nicht davon abgehalten, die Berlinale in vollen Zügen zu genießen und mich jetzt wieder tierisch auf kommende Jahre zu freuen! Die zahlreichen wunderbaren Filme haben mein Herz wahrlich bewegt, aber mein Dank geht auch an das Kernteam der Freien Generation Reporter, die mich so herzlich aufgenommen haben!

Johanna Gosten

Mit neuem Elan und neuen Mitgliedern sind wir in die 67. Berlinale gestartet - und es hätte kein größerer Erfolg werden können. Das Gefühl, auf diesem Festival eine zweite Familie gefunden zu haben, war noch nie so stark wie dieses Jahr, und ich bin glücklich und dankbar für all die wunderbaren Menschen, die die Berlinale in mein Leben gebracht hat.
Gleichzeitig habe ich mir auch noch nie so viel Zeit zum Filmegucken genommen. Zwar waren die diesjährigen Filme deutlich weniger erschreckend als die Jahre zuvor, jedoch hat mir das Programm wie immer gefallen. Meine persönlichen Gewinner waren Becoming Who I Was, Shi Tou und The Inland Road, allerdings war ich zumindest bei 14Plus mit (fast) allen Preisträgern zufrieden.
Meine #BerlinaleMoments: Jason Isaacs bei der KPlus Eröffnung, Interviews mit Maryanne und Tobi und die Atmosphäre bei der 14Plus Preisverleihung.

Liv Thastum

Wie immer habe ich einen Klos im Hals gespürt, als ich das letzte Mal den Berlinale Vorspann gesehen habe. Ich bin jedes Jahr überrascht wie schnell die Zeit vergeht! Es war wie immer schön: gute Filme, interessante Menschen und eine tolle Stimmung. Meine Filmhighlights waren „Butterfly kisses“, „Becoming who I was“ und „The inland road“ aber auch „Ceux qui font...“ wird mir lange im Gedächtnis bleiben. Ich habe viele spannende Interviews geführt und dabei viele tolle Menschen kennen gelernt. Die Teamerweiterung hat toll funktioniert und dem Projekt gut getan. Mittlerweile kann man schon fast sagen „Berlinale ist Zuhause“. Ich bin dankbar für die schöne Zeit und hoffe unsere Projekt wird noch lange am Leben bleiben. Aufs nächste Jahr freu ich mich jetzt schon riesig. „Long live free Generation reporters, long live the Berlinale“


Mia

Die diesjährige Berlinale war wirklich schön!
Neben den tollen Lang- und Kurzfilmen, die ich sehen konnte und einigen tollen Begegnungen, gab es zwei Dinge, die für mich während dieser Berlinale, besonders bereichernd und wichtig waren.

Zum einen war es eine spannende und tolle Erfahrung mit einem größeren Team zu arbeiten und eigentlich in jeder Vorstellung jemanden zu sehen, mit dem man zusammen gehört! Da dadurch auch der Austausch über die Filme eine andere Dimension erreichte und ich noch vielfältigere Sichtweise mitbekam.

Des Weiteren einmal ein großes Dankeschön an viele der Berlinale Mitarbeiter, die die Berlinale zu dem machen, was sie ausmacht. Während des Festivals konnte ich immer mit meinen Fragen zu ihnen kommen, was manchmal wirklich eine Erleichterung war...

Eva Swiderski

Nach den zehn Berlinale-Tagen gefüllt von intensiven Filmen, wirkt es fast schon ungewohnt, abends nicht mehr den 200. Bus zum Haus der Kulturen zu nehmen.
Die Zeit ging wahnsinnig schnell vorbei, ich hatte das Gefühl anderthalb Wochen lang in einer Blase voller Kunst herumzuschweben.
Diesmal begeisterte mich besonders die Vielfältigkeit des Programms. Von schrillen, bunten Animationen über schwarz-weiß bis zu Aktionskunstfilmen und Dokumentationen war alles vertreten. Es gab auffallend viele witzige und doch tiefgründige Filme, die nicht allzu trist gehalten wurden.
Besonders für mich als Hobbymusikerin fand ich es schön zu sehen, was für eine große Rolle die Musik im Leben doch spielt, denn darum drehte es sich in mehreren Filmen ausschließlich.
Mein absolutes Highlight mag für viele nicht nachvollziehbar sein, ist aber eindeutig „My entire Highschool sinking into the Sea“, da er mit seinem expressiven Zeichenstil und absurdem Humor sehr herausgestochen hat.
Oft habe ich noch Bilder aus „Becoming who I was“ in meinem Kopf- weil Onkel und Sohn in ihren roten indischen Trachten im Tiefschnee so schöne Szenen boten, hat mich das sogar dazu überzeugt, mal eine Reise auf eigener Faust nach Tibet/ Nordindien zu machen. Ich bin sehr glücklich, mich noch an so viele bestimmte Details, Portraitaufnahmen und die zärtliche Umsetzung mit schwierigen Themen erinnern zu können.
Ich kann es kaum erwarten, mich nächstes Jahr wieder berieseln zu lassen!

Moritz Palma

Die diesjährige Berlinale war wieder einmal einfach unglaublich! Im Programm waren viele einzigartige Filme, die auf eine ganz besondere Weise auf verschiedene und interessante Themen aufmerksam machten. Dazu kamen dann noch die anderen wundervollen Reporter... Sie ist einfach eine der schönsten Zeiten im Jahr! :-)

Vincent Edusei

11 Filme hab ich gern geseh´n,
nun muss ich leider wieder geh´n.
Mein Horizont erweiterte sich im Nu,
ceux qui font les révolutions à moitié n'ont fait que se creuser un tombeau.
Wie schön, dass manch einer meine Liebe teilt. Schade, dass nicht immer jeder bis zum Ende im Kinosaal verweilt…

Doch ist es immer wieder toll, jung und alt, Neuling und Routinier, Mainstream- und Independentfilm - Liebhaber -und Filmer
einmal im Jahr als Gemeinschaft erleben zu dürfen. Hoffentlich bleiben die Kinos immer so laut und voll!
Die Generation Kplus hat dieses Jahr wieder berührt („Becoming Who I Was“, „Estiu 1993“,…).
Ja, letztes Jahr gab es eine breitere Fülle an wirklich überwältigenden, neuartigen Filmen. Dieses Jahr gab es aber auch mindestens zwei Kandidaten, die es richtig in sich hatten.
Das waren für mich die Gewinner des Silbernen Bären und der Lobenden Erwähnung der Generation 14plus, „Butterfly Kisses“ und insbesondere „Ceux qui font…“.
Filmisch innovativ und intensiv, thematisch sensibel, diese zwei waren in allen Belangen bereichernd.
Ein erweiterter Horizont, eine Fülle an positiver Energie, angeregte Diskussionen und neue Bekanntschaften.
All diese Wünsche hat die Berlinale dieses Jahr dann also doch wieder erfüllt.

Meine Begeisterung für die Berlinale ist dieses Mal jedoch nicht nur aus der besonderen Atmosphäre und den einzigartigen Filmen entsprungen,
sondern vielmehr aus den „Freie Generation Reportern“ bzw. wurde von dieser gemeinschaftlichen Energie um ein Vielfaches verstärkt und hält somit noch viel nachhaltiger an.
Die Freie Generation, das sind nicht nur wir 14. Wir sind nur die Reporter der Leidenschaft, ein Teil des großen Ganzen. Pathetisch, aber wahr.
Ja, ich hab diese 13 in mein Herz geschlossen, Filme hohen Niveaus gemeinsam mit ihnen genossen.
Das Wichtigste jedoch seid ihr!
Ihr Liebhaber des Films und des großen Kinos.
Ihr motiviert uns zu schreiben, zu reflektieren und dadurch mehr zu sehn, hoffentlich nicht nur dieses Jahr, sondern auch noch in zehn.

„Pottan, you did it!“

"Es gibt keine Polizei im All, keine Regeln. Und Eltern müssen nicht die ganze Zeit arbeiten. Zumindest nicht, wenn du Geburtstag hast." - Eine Kritik zu "Upp i det blå"

Die achtjährige Pottan soll ihre Ferien eigentlich auf einem Ponyhof verbringen, wird aber von ihren dauernd beschäftigten, unaufmerksamen Eltern versehentlich an einem Recyclinghof ausgesetzt. Da Pottan sie erst nicht wieder erreichen kann, wird sie von den Schrottplatzbewohnern Dennis, Ture und Rydberg aufgenommen. Nach anfänglichem Misstrauen lebt sie sich langsam ein, es entsteht eine tiefe Freundschaft zwischen den Charakteren und Pottan wird in den geheimen Plan eingeweiht, an dem die Schrottplatzbewohner seit einiger Zeit arbeiten. Sie wollen nämlich eine Rakete bauen um mit Weltraumschrott das große Geld zu machen. Von da an nimmt die turbulente Geschichte ihren Lauf, erzählt wird sie auf skurrile Art und Weise und ist dabei unfassbar lustig.

Der ganze Film ist liebevoll designed, die Farben sind strahlend und Outfits der Personen toll. Die Musik ist sehr schön und teilweise witzig, wenn es sich um Melodien von, für uns Älteren, bekannten Songs handelt. Zudem ist die Idee des Filmes sehr originell und auch wenn das Ganze teilweise etwas einfach gestrickt ist, wird es nie kitschig oder langweilig. "Upp i det blå" ist witzig, genial, mitreißend, aber auch sehr einfühlsam und die starken Charaktere werden von tollen Schauspielern porträtiert, die allesamt überzeugen.

Allerdings gab es viele Szenen, in denen extrem gegensätzliche Emotionen in den verschieden Altersklassen des Publikums zu beobachten waren. So mussten die Erwachsenen teilweise total lachen, während die Kinder verängstigt waren. Teilweise handelte es sich nämlich um sehr ernste Szenen, die, wenn man den Humor des Ganzen nicht erkennt, sehr beängstigend wirken können. So fragte ein Mädchen neben mir ihre Mutter sogar, was es denn gerade überhaupt zu Lachen gäbe. Gestört hat mich persönlich das jedoch nicht, ich finde es hervorragend, dass der Film allen Zuschauern, ob groß oder klein, viel mit auf den Weg gibt. Ich hatte großen Spaß und war trotzdem sehr bewegt, habe dieses skurrile Werk also in vollen Zügen genossen!



English version

The eight year old Pottan should actually spend her holidays on an pony farm, but her constantly busy and distracted parents accidentally drop her off at a recycling yard. Not able to reach them again, the junk yard inhabitants Dennis, Ture and Rydberg start to take care of her. After initial distrust she starts to settle down, a deep friendship between the characters develops and Pottan is then let in the secret plan, on which the group has worked for some time. They want to build a spaceship in order to make money by selling astro-garbage. From there the turbulent story takes its course, narrated in a quirky but very funny way.
The whole movie is designed tenderly, the colors are bright and the outfits fantastic. The music is beautiful and partly funny, when a melody is used that some may recognize. Furthermore the idea of the film is truly witty and even if everything is quite simple, it never gets corny or even boring. Upp i det blå is funny, brilliant but still sensitive and the expressional characters are played by actors, who are all very convincing.

However, in some scenes, extremely opposing emotions of the different age classes of the audience could be watched. Sometimes the adults where laughing while the children were very frightened. Partly the scenes are very serious and a bit scary, if you are not able to perceive the humor. One girl sitting next to me for example even asked her mom, why some people were laughing. I did not mind that, I love, that the movie has so much to offer for everyone. I had a lot of fun and was still very moved, so I enjoyed this quirky film to the fullest!


26.02.17, Carlotta Saumweber

Das Sprachrohr eines Filmteams


Viele Filmteams aus aller Welt besuchen die Berlinale und beantworten nach den Screenings die Publikumsfragen. Englischsprachige Filmemacher haben es da sehr leicht, aber was ist, wenn man aus Afrika, China oder Korea kommt? Ganz einfach - es müssen Dolmetscher her! Halym Kim, Übersetzer für das Filmteam des Preisträgers „Becoming Who I Was“, hat sich für Sarah und mich die Zeit genommen, ein paar Fragen zu dem Thema zu beantworten. Er spricht koreanisch und war dieses Jahr zum ersten Mal auf der Berlinale als Dolmetscher tätig.

fGR: Wie bist zu diesem Job gekommen?
Halym: Eine Freundin arbeitet jedes Jahr bei Generation und sie hat mich gefragt, ob ich zufällig Zeit hätte, weil sie noch ganz dringend einen Übersetzer gesucht haben. Das war etwa eine Woche vor der Berlinale.

Hast du den Film also auf der Berlinale zum ersten Mal gesehen? Und warst du auch mehrfach in den Vorstellungen?
Halym: Ja, das war das erste Mal. Ich hatte zwar einen internen Link, über den ich auf den Film zugreifen konnte, aber da waren Wartungsarbeiten auf der Homepage, deswegen konnte ich den Film erst auf der Premiere sehen, also mit euch.
Am Donnerstag waren wir dann noch einmal im Film, Freitag und Sonntag aber nicht mehr. Wir waren dann draußen und sind gegen Ende des Filmes reingegangen, wurden angekündigt und haben das Publikumsgespräch gemacht.

Wieviel Kontakt hattest du denn zum Filmteam?
Halym: Sehr viel. Zur Premiere haben wir uns kennengelernt. In den nächsten Tagen haben wir uns immer eine halbe Stunde vorher getroffen und an manchen Tagen sind wir nach dem Film oder jeweiligen Event Kaffee trinken gegangen und haben uns ein, zwei Stunden unterhalten.
Am Montag sind sie wieder abgereist.

Hast du irgendwelche spannenden Insider erfahren?
Halym: Es gab schon lustige Sachen. Zum Beispiel an dieser Stelle im Film, als der Hauptdarsteller das Feuer im Kamin angezündet hat - da wussten die echt nicht, was sie machen sollen. Die eine meinte „Ich konnte mich gar nicht einkriegen vor Lachen“, aber sie konnte natürlich nicht laut lachen.

Und wie fandest du den Film?
Halym: Wirklich schön. Ich fand ihn sehr spannend, lustig und natürlich emotional. Aber als ich dann diese ganzen Hintergrundgeschichten gehört habe, unter welchen Umständen der Film gedreht wurde und wie das finanziell für die war, warum das letztendlich wirklich acht Jahre gedauert hat, da fand ich das Resultat umso bemerkenswerter, weil da echt viel Arbeit und Geld aus eigener Tasche eingeflossen ist.
Die haben nur zu dritt gedreht und hatten ab und zu Drohnen. Es gab zwar Crowd-Funding, aber nicht für acht Jahre. Damit waren auch viele Zweifel verbunden, ob sie das noch zu Ende bringen — das stand wirklich auf der Kippe.

Hast du dich im Laufe der Zeit auf der Bühne sicherer gefühlt?
Halym: Ja. Am Mittwoch war es tatsächlich am entspanntesten. Donnerstag war es hektischer, da gab es andere Fragen und auch der Ablauf war anders.
Ich fand die Fragen von den Kindern sehr süß. Von den Erwachsenen kamen eher komplizierte Fragen, wo ich erst einmal überlegen musste, wie ich das überhaupt übersetze.
Einmal hat aber auch ein Junge gefragt, ob die Zahlen stimmen, weil ein Handschuh 50 Rupie und das Hotel 300 Rupie gekostet hat, was das für ein Verhältnis ist. Das fand ich sehr bemerkenswert, vor allem weil das im Film gar nicht gesagt wurde, dass das Hotel 300 Rupie kostet, sondern er das an den Scheinen, die auf dem Tisch lagen, abgezählt hat.

Wir hoffen, Halym auch nächstes Jahr auf der Berlinale zu treffen!

26.02.2017, Johanna Gosten

Eine Berlinale ohne Maryanne Redpath - geht das überhaupt?

Die gebürtige Neuseeländerin hat schon früh den künstlerischen Weg eingeschlagen. Nach ihrem Studium mit dem Schwerpunkt Kunst- und Theaterwissenschaften, arbeitete sie als Multimedia-Performance-Künstlerin, Theatertechnikerin und -lehrerin in Sydney. Dort unterrichtete sie unter anderem auch Aboriginal-Kinder und –Jugendliche. Nach zahlreichen Eigenfilmproduktion und dem Mitwirken an einer australischen Kinderfernsehserie, brachte sie ihre Liebe zum Film gleichermaßen wie ihre Leidenschaft, mit Kindern zu arbeiten, schließlich in die deutsche Hauptstadt. Seit 1993 ist Redpath nun für die Berlinale tätig und seit neun Jahren die Leiterin und Kuratorin der Sektion Generation.
Wir haben sie für Euch direkt vor der Preisverleihung von 14Plus in der Lounge der Schwangeren Auster getroffen und ein wenig mit ihr über die Berlinale geplaudert.

fGR: Wie sieht dein typischer Tagesablauf während der Berlinale aus?
Maryanne: Meistens muss ich ab 8.30 Uhr auf der Matte stehen, um beispielsweise Filmteams kennenzulernen, ein Interview zu geben oder mich um ein Problem zu kümmern. Ich verbringe auch sehr viel Zeit in Taxis (lacht). Für mich sind die Kinos wie ein Dreieck, zwischen denen ich andauern hin und her pendele: Zoopalast, Cinemaxx, Haus der Kulturen der Welt, dann wieder zum Zoo zurück und so weiter. Aber das kennt ihr ja auch. Im Moment stehe ich nicht so oft auf der Bühne, weil wir so ein großes Programm haben. Ich lerne aber jedes einzelne der 62 Filmteams kennen, plus die Teams der Sondervorstellungen. Und das ist auch etwas, was mir sehr wichtig ist. Die Menschen kennenzulernen und sich mit ihnen über ihre wunderbaren Filme auszutauschen. Dabei entstehen so viele magische Momente. Die meisten sind super begeistert, besonders vom Publikum, aber auch vom eigenen Team oder von den anderen Vorstellungen. Die Q & A’s sind auch immer wieder ein Highlight für beide Seiten. Das Feedback, das die Filmemache dabei bekommen, ist so schön direkt und so schön ungefiltert. Ich moderiere außerdem die beiden Eröffnungen und die Preisverleihungen von K- und 14-Plus. Es gibt also sehr viele Dinge zu organisieren.

Ab wann beginnen bei Euch die Vorbereitungen?
Ab September geht es normalerweise los. Im Sommer hat man ein paar Monate, in denen es relativ ruhig ist und man ein bisschen Zeit hat, zu atmen. Allerdings kann es auch schon mal vorkommen, dass bereits im Juli die „Early Birds“ kommen, also quasi die allerersten Filme eingereicht werden. Außerdem gibt es ja auch eine Menge andere Filmfestivals, gerade in Europa und da kann es auch schon mal sein, dass ich einen Film unbedingt haben möchte und ein anderer Filmfestivalveranstalter aber auch. Da muss dann immer so ein bisschen gedealt werden, das braucht auch seine Zeit.

Das heißt, man darf wirklich immer nur an einem Festival teilnehmen?
Nein, das nicht. Es gibt zwar gewisse Richtlinien was den Premierestatus eines Films angeht, insbesondere bei europäischen Premieren, aber ansonsten ist es den Filmemachern überlassen, auch an anderen Filmfestivals teilzunehmen. Die Richtlinien der Berlinale sind eigentlich ganz einfach: die Filme müssen ganz neu sein. Mittlerweile feiern sehr, sehr viele Filme ihre Weltpremiere bei uns. Das freut mich sehr, denn das bedeutet, dass alle Leute, die in so einem Film mitwirken, noch ganz frisch dabei sind. Da ist dann auch meistens ein noch größeres Presseaufgebot.

Wie viele Filme guckst du persönlich? Hast du da eine ungefähre Zahl im Kopf?
Ich fürchte, nein, die kann ich euch nicht nennen, weil die Vorbereitung immer phasenweise geht. Ich würde sagen bis Mitte Januar habe ich dann auch sehr, sehr viele Filme gesehen. Wir haben auch ein Auswahlgremium, die gewisse Vorentscheidungen treffen. Also deren Job besteht quasi darin, nichts anderes zu machen, als den ganzen Tag Filme zu schauen. Ich bin da auch sehr oft mit dabei, aber oft muss ich mich auch um andere organisatorische Dinge kümmern. Also es gibt so einen Filterprozess des Auswahlgremiums. Erst müssen sie sich den Film anschauen und dann diskutieren, ob das ein Film für unser Programm sein könnte. Dann beraten sie sich untereinander und anschließend mich. Ich schaue mir die Empfehlungen dann an und habe letztendlich das Schlusswort. Das Gute ist, dass sie mir vorher immer genau sagen, in welcher emotionalen Verfassung ich sein muss, um diesen Film zu sehen. Das hilft ungemein. Das habt ihr leider nicht.

Wie kommt das Programm dann zustande?
Also nachdem wir die Auswahl getroffen haben, „grooved“ sich das alles eigentlich immer ganz von alleine ein, sagen wir immer. Also es gibt im Prinzip zwei Phasen. In der ersten wählt man sehr viel aus und lädt ein und dann gibt es wieder Phasen, wo man eine sogenannte Warteliste aufbaut. Manchmal ist diese Warteliste sehr lang und dann kommen meine Kollegen zu mir und sagen, Maryanne, du musst jetzt ein paar Entscheidungen treffen. Und da haben sie natürlich Recht, weil es immer einen Rattenschwanz von Arbeit gibt, die dann an jeder Einladung hängt. Und Ende der ersten Januarwoche steht dann das offizielle Programm. Danach programmieren wir die Kurzfilme, Pressemeldungen müssen herausgegeben werden und das Programm wird natürlich veröffentlicht. Und dann geht’s los!

Wie geht ihr mit den Filmteams um, die es nicht geschafft haben?
Das ist natürlich immer keine schöne Nachricht. Wir versuchen aber gerade deshalb höflich und so einfühlsam wie möglich zu verkünden, dass ihr Film es leider nicht ins Programm geschafft hat. Selbstverständlich ist das immer eine sehr, sehr große Enttäuschung für viele Filmemacher. Jeder Film wird mit sehr viel Liebe gemacht und der Zeit- und Geldaufwand ist natürlich auch ein großer Bestandteil ihrer Arbeit und die Hoffnung ist groß, wenn man einen Film einreicht bei der Berlinale. Aber wir müssen es leider machen. Früher habe ich die Ablehnungen auch immer selbst gemacht, aber jetzt nicht mehr. Wir sagen auch nicht, „dein Film wurde abgelehnt“, wir sagen „dein Film ist nicht ausgewählt“.

Was wäre denn ein Ausscheidekriterium?
Das können ganz unterschiedliche Gründe sein. Wenn der Film zum Beispiel nicht ins Programm passt. Wir legen sehr großen Wert auf die Vielfältigkeit unseres Programms. Gerade dieses Jahr gibt es in K- und auch 14-Plus sehr viele Dokumentarfilme, Animationsfilme, Featurefilme und Fiktion, die alle nebeneinander im Programm stehen. Das ist auch eine schöne Arbeit für mich als Kuratorin, jedes Jahr aufs Neue zu sehen, wie viele unterschiedliche Genres und Arten von Filmen wir zeigen. Aber das bedeutet auch, dass ich bei der Programmerstellung abwägen muss, gibt es diese Art von Film schon einmal oder auch nicht und dann schaue ich auf der Warteliste, ob es einen Film gibt, der diese Lücke schließen kann. Und so entsteht ein Programm. Es gibt also keine konkreten Gründe, die ich jetzt benennen könnte, weil diese Entscheidung letztendlich immer von den Konkurrenzfilmen, also vom behandelten Thema, dem Genre oder dem Land, abhängig ist. Ich picke mir dann einfach das heraus, wo ich glaube, dass es mal ein bisschen was anderes ist und wo es nicht immer nur um die gleichen durchgekauten Themen geht.

Was muss ein Film haben, um ins Programm aufgenommen zu werden?
Wir diskutieren viel in Gremien über die Filme und über die Auswahl und es kommen so viele verschiedene Blickwinkel zusammen, dass macht die Sache so spannend. Es geht nicht nur um feste Meinungen. Man muss da ganz offen sein.

Haben sich die Themen im Laufe der Jahre geändert?
Die Themen ändern sich von Jahr zu Jahr. Natürlich verändert sich die Technik, aber auch die Inhalte. Ich kann gut argumentieren, warum ein Film ins Programm kommt oder er es nicht schafft. Es geht fast immer um die Liebe, Coming of Age, über den ersten Kuss und über all diese Dinge, die zum Erwachsenwerden dazugehören.
Wir scheuen uns vor kaum etwas. Großes Vertrauen haben wir in Euch, die jungen Zuschauer. Unser Ziel ist zu fordern, nicht zu überfordern.
Vor Jahren hatten wir zum Beispiel einen schwedischen Film im Programm, den ich sehr solide fand. Ein richtiger Jugendfilm. Da war alles drin: Er war ein bisschen hart, es ging um Sex, Liebe und eine dysfunktionale Familie. Später kamen Jugendliche zu mir und meinten: „so ein Film ist Standard bei uns im Kino, auf dem Festival möchten wir etwas anderes sehen.“
Es ist eine Reise, auf der wir voneinander lernen. Ich weiß natürlich nicht alles, was Euch durch den Kopf geht, aber ich kann mir einiges vorstellen. Und deshalb ist ein Feedback auch so unheimlich wichtig für mich.
Nach dem Festival brauche ich einige Zeit, um die Emotionen und Eindrücke gut zu verarbeiten. Eure Reportagen lese ich dann auch immer mit Vergnügen.

Maryanne, wir danken Dir für dieses Interview.

26.02.2017, Moritz Palma und Vivien Krüger

Publikum vs. Jurys - wie haben die Filme abgeschnitten?

Publikumsliebling 14Plus

Auch in diesem Jahr wollten wir sehen, welcher Film denn das Publikum am meisten begeisterte. Dafür haben wir diesmal zum einen eine Online Umfrage gestartet, zum anderen wie üblich vor der Preisverleihung Umfragen im Publikum durchgeführt.

Mit 22 % aller Stimmen ist das in diesem Jahr Freak Show! Wir gratulieren ganz herzlich :)
Gefolgt von The Inland Road mit 18% der Stimmen.

Hier eine Abbildung der Verhältnisse:


Auch online und offline hat einen gewissen Unterschied gemacht, also hier nun noch die entsprechenden Proportionen:

Insgesamt haben 85 Leute an der Umfrage teilgenommen. Natürlich ist sie in keinster Weise repräsentativ, aber ein gewisses Stimmungsbild gibt sie nun doch wieder und es ist immer schön zu sehen, wie es sich im Vergleich zu den Jurys verhält.
Butterfly Kisses als Gewinner der Jugendjury ist mit 12 Stimmen und somit 14% immerhin auf Platz 3! Ceux qui font les révolutions à moitié n'ont fait que se creuser un tombeau leider gar nicht vertreten, was aber durchaus an der Besonderheit dieses Films liegt, den einfach nicht jeder wertschätzen kann.
Auch die Auszeichnungen der Internationalen Jury - Ben Niao und Shkola Nomer 3 - sind eher weiter hinten im Beliebtheitsfeld, was sie aber nicht zu schlechteren Filmen macht.

Es lässt sich leicht feststellen, dass die Publikumslieblinge regelmäßig kommerzieller Natur sind und die 'typischen' Berlinalefilme nicht das breite Publikum begeistern können. Dies ist gerade bei Berlinalefilmen aber auch eher schwierig, da sie meist brisante Themen ansprechen und daher häufig auch bedrückend sein können. Schade nur, dass es eigentlich die Berlinalefilme sind, um die es in erster Linie geht. Die Filme, die eben nicht wie alle anderen sind. Die auf Probleme aufmerksam machen, häufig eben nicht spielerisch und lustig, sondern zutiefst überwältigend und bedrückend.
Man kann allerdings nicht verhehlen, dass man doch ganz froh ist, wenn zwischen all den belastenden Filmen dann auch mal lustige und muntere Filme dabei sind, von daher lässt sich die Wahl des Publikumslieblings doch irgendwie auch nachvollziehen. Für mich werden allerdings immer die bedrückenden und zum Nachdenken anregenden Berlinalefilme in stärkster Erinnerung bleiben.

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Publikumsliebling KPlus


Natürlich haben wir die gleiche Umfrage, auf die Kinderfilme-Filme zugeschnitten, für KPlus ebenfalls durchgeführt, wobei wir auf 78 Stimmen gekommen sind. 22 davon online und 56 vor der KPlus-Preisverleihung.

Unser stolze Gewinner mit 18% der Stimmen ist Red Dog!

Knapp gefolgt von Piata Lod, Becoming Who I Was und As Duas Irenes, die alle auf ungefähr 14% Stimmanteil kommen.

Auffällig bei dieser Umfrage ist vor allem der starke Unterschied in der Abstimmung bei Red Dog zwischen Online- und Offline-Publikum. Ich wage zu vermuten, dass es tatsächlich einige gibt, die gerne in erster Linie die "großen" Veranstaltungen der Berlinale Generation mitnehmen: Eröffnung und Preisverleihung. Und diese dann auch am meisten wertschätzen.
Viele derjenigen, die an der Preisverleihung teilnehmen, haben während der Berlinale tatsächlich nur 1 oder 2 Filme gesehen, was die Umfrage natürlich nicht repräsentativ macht.
Allerdings wurde die Umfrage vor der Preisverleihung durchgeführt und Piata Lod schneidet auch vorher schon gut ab. Eine Bestätigung der Kinderjury, die diesen Film zum Gewinner kürte.
Becoming Who I Was und As Duas Irenes waren die Internet-Lieblinge.

26.02.2017, Sarah Gosten

Ein Leben als Heiliger

Zu Beginn dokumentiert der Film das Leben des kleinen Jungen Angdu, der in Nordindien als Mönch in einem buddhistischen Kloster lebt, großgezogen von einem religiösen Arzt, den er nur Onkel nennt.
Doch schon bald stellt sich heraus, dass Angdu nicht nur ein einfacher Mönch ist, er ist ein großer Rinpoche, also ein wiedergeborener Priester. Allerdings spielen sich Rinpoches Erinnerungen an sein altes Leben alle in seinem tibetischen Kloster ab.
Normalerweise müssten seine ehemaligen Schüler bald abholen kommen, aber auch nach sieben Monaten ist noch niemand aus Tibet im Dorf eingetroffen, wahrscheinlich, da die Chinesen die indisch-tibetische Grenze zurzeit streng bewachen.
Also will Angdu selbst nach Kham reisen, wo sein eigenes Kloster liegt. Onkel gibt seine Arbeit als Arzt auf und begleitet ihn.
Die Beiden haben ein sehr enges Verhältnis zueinander und auf der langen Reise sehr viel Spaß. In der Stadt lernen sie Federball, auf Bergkuppen machen sie Schneeballschlachten und viele verschiedene Lebensweisen lernen sie kennen.
Als sie endlich an die Grenze kommen, dürfen sie jedoch nicht passieren.

Die Freundschaft zwischen Angdu und Onkel wird sehr schön deutlich, durch ihre spontanen Spiele. Außerdem ist dies kein gewöhnlicher Dokumentarfilm, an dem man vor allem lernen soll, er nimmt einen mit auf eine Reise ins ungewisse.
Und wer weiß, vielleicht wird Angdu es ja irgendwann ein berühmter Rinpoche werden.

26.02.2017, Mathilda Fastabend

"Friendship is more powerful than war"

Some days ago I had an Skype-Interview with Yelizaveta Smith the director of the Ukrainian film „Shkola Nomer 3“. She couldn‘t be at the Berlinale in person, because she gave birth to her child. So I am very happy that I got the opportunity to talk with her via Skype. Yelizaveta is a very nice person and I was curious to find out more about the background of this great and touching documentary.

How did you meet those wonderful children and how did you start the project?
When the war in the Ukraine began many people who took part in the revolution didn't know what to do. I felt this kind of panic inside myself – I felt powerless. Then me and my friends were invited to take part in a volunteering program, where we had to go to eastern Ukraine. At that time it was free from the Russian military. Our goal was to go to that school in the Donezk area and to rebuild it together with the local people. So we went to that school and that is how we met the children for the first time. 
One of the first things we made together with the children was the celebration of the St. Nicolas day. It was very nice and fun. From the first day we were bonding very well with the children. A few month later we returned to make a documentary theatre play. Then we started to shoot our work with the children and that was the beginning of the movie.


How did you make the children open up to you?
To be honest, when we went to the place the first time people didn't like us. They thought we wanted something from them. But when they understood, that it was safe and we only wanted to speak, you didn't need to make them open up any more, because they kind of needed to speak. They have seen and felt things they need to tell to other people.

Were there any problems while making this film?
Well, we didn't have any money to make this film at first. I don't remember difficulties with the children. Of course with some of them it took some time, but that is normal and I wouldn't call it a problem. At the beginning some parents didn't like what we were doing, but after some time they understood that we weren't doing something dangerous.

In your movie it sometimes seemed to me, that you had talked to the children before you were filming and then said to them: „now tell us the story of..." So how did you work?  Did you already knew the stories before you were filming?
It depends on the scene. Some stories we knew before, because the monologues were part of the documentary theatre play. This is a kind of therapy for the person who is telling the story and helps him deal with it.
But some monologues were happening for the first time.
I decided to let the children speak in monologues because I wanted the viewers to feel like the children were talking to them. That is why I let the children speak the whole story into the camera.


Could you try to tell the message of your film in one sentence?
I can try.
This is what those children taught me and what I want the movie to give to the viewers: In the end those teenager who went through the war - their first love, their friendship, their life is much more powerful than the effects of the war.


Yes, as I watched the film I felt like there is no big difference between the teenagers and me. It could be me talking in your film. We have the same problems, the only difference is that they live in a country where there is war.

How was your reaction when you heard that your film got an award?

Its kind of absurd. Now those children from Donezk area - that was so destroyed, they are now on the stage with their Ukrainian flag. This is really cool.
22.02.17, Liv Thastum


"God messed up something when he formed me"

- Kritik zu Karera ga honki de amu toki wa

Immer am letzten Sonntag der Berlinale – dem Berlinale-Tag – werden in der Sektion Generation Cross-Section Filme gezeigt. Also Filme, die eigentlich aus einer anderen Berlinale Sektion stammen, aber auch zu Generation passen.

Karera ga honki de amu toki wa ist eigentlich ein Panorama-Film und erzählt die Geschichte von dem elfjährigen Mädchen Tomo. Da ihre Mutter sich nicht um sie sorgt und oft einfach für Tage verschwindet, kommt Tomo bei ihrem Onkel und seiner Freundin Rinko unter, welche liebevoll wie eine eigene Mutter Tomo umsorgt, ihre Haare kämmt und ihr Bento-Boxen zubereitet. Als Tomo herausfindet, dass Rinko als Mann geboren wurde und sich später einer Geschlechtsumwandlung unterzog, ist sie zwar anfangs verwirrt, lernt aber schnell, dass das nichts weiter zu bedeuten hat und für eine Familienkonstellation irrelevant ist. "Karera ga honki de amu toki wa" führt den Zuschauer die Welt eines Transsexuellen und zeigt, wieso eine Familie nur durch Liebe definiert wird, behandelt aber auch die Probleme und Schwierigkeiten, auf die man bei diesem Thema in der Gesellschaft stoßen kann.

Durch die Sichtweise eines Kindes bekommen wir die Werte einer funktionierenden Familie vermittelt. So steht die Anfangssituation Tomos, in der sie auf sich alleine gestellt ist und niemanden hat, der sich um sie sorgt, im Kontrast zu der Situation bei ihrem Onkel und Rinko. Hier wird Tomo versorgt und sie hat erstmals das Gefühl, etwas Wert zu sein und geliebt zu werden. Rinko bringt ihr außerdem bei, wie man mit negativen Reaktionen zu ihrer Transsexualität umgeht, denn im Laufe des Filmes bekommt auch Tomo diese mehrmals zu spüren. So schockiert der Film auch in mancherlei Hinsicht und zeigt, wie oft Transsexuelle immer noch nicht toleriert werden und wie viele auf den "klassischen" Familienzusammensetzungen beharren und dabei völlig außer Acht lassen, ob genug Fürsorge vorhanden ist.

Durch das Ende des Filmes, was mich persönlich etwas überrascht hat, wird zusätzlich noch der Konflikt von wahrer Familie wieder aufgegriffen, was den Film sehr realistisch macht.

Als Panorama und auch Generations Film hat mir "Karera ga honki de amu toki wa" wirklich gut gefallen und mich überzeugt, denn er behandelt ein Thema, über das vielleicht immer noch nicht genug aufgeklärt wurde und so wichtig ist. Er vermittelt seine Botschaft – das Familien auch funktionieren können, wenn sie nicht "klassisch" sind – deutlich und durch eine schön erzählte Geschichte. Gerade deshalb finde ich es toll, dass der Film auch in der Sektion Generation gezeigt wurde, weil es meiner Meinung nach wichtig es, dass auch junge Leute über das Thema aufgeklärt werden und mögliche vorhandene Vorurteile gelöst werden.

21.02.17, Clara Bahrs

Alles ist Teil der Natur - auch wir selbst


- eine Kritik zu Uilenbal -

Frisch in eine neue Stadt umgezogen versucht Meral neue Freunde zu finden und sich einzuleben. Beim Erkunden ihres neuen Zimmers findet sie ein Mäuseloch und kurz darauf auch die dazugehörige Maus, die sie schnell ins Herz schließt. Als ihre Mutter Mäusekot entdeckt, während sie Meral für die Abreise in ein Schulcamp weckt und Merals Vater bittet, Mäusegift mitzubringen, fasst diese kurzerhand einen Entschluss und nimmt "Peep-peep" - wie sie die Maus immer nennt - unbemerkt mit, um sie vor dem Tod zu retten. Im Camp versuchen Meral und ein paar andere Kinder, die von "Peep-Peep" mitbekommen haben, alles dafür zu tun, dass die Maus von keinem entdeckt wird und begeben sich dadurch selbst auf ein spannendes Abenteuer.

Durch Jason, der viel über Natur und Tiere weiß, und dem Beschäftigen mit der Maus lernen Meral und die anderen viel über die Gesetze und den Kreislauf der Natur und auch durch traurige Erkenntnisse lernen sie über wahre Freundschaft und finden zueinander.

Der Film ist leicht und niedlich gemacht, und hat viele lustige und schöne Momente, die Groß und Klein zum Lachen bringen. Zwischendurch kommen immer wieder einmal Musical-ähnliche Stellen, was den Film auflockert und ihn sehr schön anzusehen macht. Dennoch gibt es auch Spannungsmomente, in denen das Publikum mit den Charakteren mitfiebern kann und vor allem die jüngeren Kinder den Film teilweise mit Angst und Spannung verfolgen.

So ist Uilenbal ein sehr süßer Film, der von Freundschaft und neuen Erfahrungen erzählt und gleichzeitig die Vorgänge der Natur den Kindern im Publikum nahebringt.

19.02.17, Clara Bahrs

Why do you wanna join the Army?


Mein letzter Film am Sonntagmorgen hieß „Soldado“; eine Dokumentation über das Leben eines Soldaten in Argentinien. Der 18-jährige Juan entscheidet sich mehr oder weniger aus Zwang dazu, in die Armee einzutreten und sein späteres Leben dort zu verbringen.
Warum er das tut? Das kann er eigentlich gar nicht richtig beantworten, er stammelt etwas von „zu Gunsten meiner Mutter“ und „um einen Vollzeitjob zu haben“. Eine wahre Überzeugung von Herzensblut schwingt dabei allerdings nicht mit.

Juan findet sich schnell mit der Situation ab, er erledigt seine Aufgaben tüchtig. Ihm wird der Job als Trommler zugesprochen, der eine sehr wichtige Funktion in dem Leben des Militärs spielt. Unter der Verwendung von Trommel-Cues wird einer Tradition nachgegangen. Außerdem sind sie die Signale für bestimme Zeiten, Aktionen oder elementar bei festlichen Märschen.

„Soldado“ ist eine sehr angenehme Dokumentation, die gleichzeitig erfrischend wirkt. Durch eine ruhige, fokussierte Kameraführung wird die Monotonie realistisch auf den Zuschauer übertragen. Die Bilder sind meist in grau-blau gehalten und mit prägenden Geräuschen untermalt. Alle Sounds, die abgespielt wurden, sind vor Ort aufgenommen worden, wie z.B. das charakteristische Getrappel der Soldaten, die lauten auffordernden Rufe der Offiziere oder die Marschmusik. Da in diesem Film viel Wert auf die Geräuschkulisse gelegt wurde, ist fast keine normale Filmmusik zu hören.

Faszinierend finde ich die Wahl der Perspektiven, denn der Regisseur Manuel Abramovich fängt Momente in unerwartenden Ausschnitten auf. Er hält die Kamera nicht auf die Person, die gerade spricht, sondern filmt über den Hinterkopf des Protagonisten und lässt den gerade Agierenden unscharf. Besonders eine Szene, die mir in Erinnerung geblieben ist, zeigt nur die Spitze eines Stabes, (den die Soldaten bei offiziellen Anlässen tragen), die immer auf und ab wippt, weil einer aus dem Militär damit Kunststücke vollführt.
Dadurch bekam ich das Gefühl intensiver dabei zu sein und die Sicht von Juan besser nachzuvollziehen.
Im anschließenden Publikumsgespräch erklärt der Regisseur, dass er die Soldatenformationen auf dem Trainingsplatz teilweise so wie ein Ballett aussehen lassen wollte. Er wollte der Dokumentation somit auch etwas Tänzerisches verleihen.

„Soldado“ ist ein sehr schlicht gehaltener Film, er soll nur das Leben eines argentinischen Soldaten zeigen. Es gibt auffallend wenig Dialoge, wodurch man fast keine Emotionen spüren kann. Doch genau das war wahrscheinlich das Ziel, Soldaten sollen keine Gefühle zeigen, sind jedoch trotzdem Menschen. Auch sie trauern und bilden eine enge Gemeinschaft. Denn ich finde, dass das Wort „Soldat“ mittlerweile schon so abstrahiert ist, dass man es sohar als Synonym für verkrampfte Steifheit und Emotionslosigkeit zuspricht.
Hierbei gefehlt haben mir trotzdem das drastische Aufzeigen der negativen Seiten des Lebens von einem, der sich dazu verpflichtet, für sein Land in den Krieg zu ziehen. Ich persönlich neige sogar dazu zu behaupten, dass diese Lebensweise ein wenig verherrlicht wurde.

Nichts desto Trotz ist dieser Film interessant anzusehen, um einen kleinen Einblick in diese Welt zu bekommen. Für Zuschauer, die viel Action erwarten, ist „Soldado“ wiederum nicht geeignet.
19.02.17, Eva Swiderski

"Mach' keine Probleme, sonst hab' ich dich nicht mehr lieb"


Piata Lod ist ein Film über Verantwortung. Jeder Mensch hat bestimmte Verantwortungen gegenüber einer gewissen Person oder einer gewissen Sache. Manche Verantwortungen sind von Natur aus gegeben, andere entwickeln sich spontan. So hat auch jede Mutter die Verantwortung gegenüber ihrem Kind, es zu beschützen, es großzuziehen, seine Bedürfnisse zu stillen und ihm liebevoll mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Doch all diese Bedürfnisse, die ein Kind nun einmal hat, werden von Jarkas Mutter Lucia entweder ignoriert oder vernachlässigt. Mit dem Tod ihrer Großmutter, verliert Jarka ihren letzten familiären Anhaltspunkt, um Liebe und Geborgenheit zu erfahren. Zusammen mit ihrem Freund Kristian und zwei verstoßenen Babys, beginnt sie ein neues Leben im verlassenen Garten ihrer Großmutter und verliert sich immer mehr in der Vorstellung, eine eigene Familie erschaffen zu haben. Sie lassen ihre alte Welt hinter sich und bauen sich eine neue, verwunschene Realität auf, in der sie eine verantwortungsvolle Elternrolle übernehmen.

Ein Detail, das mir besonders in Erinnerung geblieben ist, war das Kinderlachen der beiden Protagonisten. Immer, wenn sie eine Hürde überstanden hatten oder sich einfach nur unglaublich glücklich in ihrer kleinen, eigenen Welt fühlten, spielten sie vergnügt miteinander und lachten auf eine unbeschwerte Weise, wie es nur Kinder können. An manchen Stellen war es unglaublich schwer mitanzusehen, wie sehr sich ein Kind nach der Liebe, Fürsorge und Aufmerksamkeit seiner Mutter sehnt und wie Jarka all dies von ihrer Mutter verwehrt blieb.

Piata Lod verfolgt eine seltsam verdrehte Mutter-Kind-Beziehung. Ob Großmutter und Mutter, Mutter und Kind oder Kind und Baby - jegliche standardisierte Rollenverhältnisse werden aufgehoben und verdreht. Eine Geschichte, die einen nachdenklich macht und ermahnt, sich seiner Verantwortung gegenüber einem anderen Lebewesen bewusst zu sein.

18.02.2017, Vivien Krüger

Die Verbindung von Musik und Film


Plot, schauspielerische Darbietung, Kameraführung, Schnitt... es gibt Unmengen an Mitteln und Aspekte, die man bedenken muss wenn man einen Film macht. Ein unglaublich wichtiges Mittel ist die Wahl der Musik. Musik löst Emotionen in uns aus und kann unseren Blickpunkt auf eine Ereignis stark beeinflussen.

Schon in den Anfängen der Filmgeschichte, zur Stummfilmzeit wurde Filmmusik verwendet. Zum einen um das Rattern des Filmprojektors zu übertönen und um die Stille zu füllen, aber auch schon damals wusste man von der unterstützenden Wirkung von Musik beim erzählen einer Geschichte. Als Begleitmusik wurden zunächst bereits bekannte Musikstücke aus Opern und Operetten verwendet. Zu Beginn begleiteten nur einzelne Pianisten, Geiger oder Flötisten die Stummfilme. Aber schnell begann man auch größere Orchester einzusetzen.

In der Filmmusik unterscheidet zwischen drei verschiedenen Techniken. Bei der Leitmotiv-Technik werden Personen, Gegenstände der Handlung oder Erzählstränge musikalisch repräsentiert. Wichtigen Charakteren werden zum Beispiel bestimmte Leitmotive (eine kurze Melodie oder musikalische Idee) zugeordnet, die in die Gesamtkomposition eingebaut werden. Dadurch können Vorahnungen oder Situationsveränderungen vermittelt werden. Die zweite Technik - das Underscoring ist eine Kompositionstechnik, die die auf der Leinwand dargestellten Geschehnisse und Gefühle annähernd synchron nachvollzieht. Dadurch entsteht ein lustiges Gesamtbild. Diese Technik kennen wir besonders aus Zeichentrickfilmen. Bei der heutzutage am häufigsten verwendeten Mood-Technik werden Filmsequenzen mit musikalischen Stimmungsbildern unterlegt. So kann einen bestimmt Stimmung und Gefühlssituation erreicht werden.

Die Musik im diesjährigen Berlinale Generation Programm war sehr breitgefächert. Vom Maorischen Lied „Poi E“, das dem Zuschauer nicht mehr aus dem Kopf geht, bis hin zur erdrückenden Orgelmusik im diesjährigen Gewinnerfilm „Butterfly Kisses“. Als ich den Film gestern zum zweiten mal sah fand ich übrigens die Musik überzeugender, als beim ersten Sehen. Obwohl der 14+ Eröffnungsfilm „On the road“ auf wenig positives Feedback stieß, fand ich die Musik der Band Wolf Alice nicht schlecht. Auch im kanadischen Film „Ceux qui font les révolutions à moniié n'ont fait que se creuser un tombeau“ wurde die Musik in den Vordergrund gerückt. Durch den mutigen beginn des Filmes mit einer schwarzen Leinwand und nur der Musik eines Orchesters, hat der Gewinner der lobenden Erwähnung von der erster Sekunde provoziert. Kinderfilme, die erfolgreich mit eher typischer Filmmusik arbeiteten waren Filme wie „Amelie rennt“ und „Überflieger – Kleine Vögel, großes Geklapper“. Auch die Country-Musik in „Red Dog true Blue“ stieß auf Zustimmung.

Die Kurzfilme hatten auch einiges zu bieten. „White riot: London“ erzählt wie die Londoner Jugendproteste der 70er Jahren gegen Nazis durch Rock und Punk Musik angetrieben wurden. Auch mit einer lobenden Erwähnung geehrt wurde der Kurzfilm “Into the blue“, der sich durch untermalende Musik und intensive Tonaufnahmen, der im Wasser eintauchenden Körper auszeichnet. Doch manchmal wirkt es um so überwältigender ohne Musik zu arbeiten. Der Kurfilm „Sirens“ schaffte es durch seine Einfachheit und Stille zu tief zu Berühren. 


Alles im Allem hat das Berlinale-Publikum dieses Jahr sehr unterschiedliche Musikgenren und einen abwechslungsreichen Einsatz der Musik erlebt. Ein riesiges Lob für diese komplexe Auswahl!
18.02.17, Liv Thastum

Preisverleihung 14+

Im Saal wird es dunkel, die Berlinalemusik ertönt, Liv und ich singen leise mit und malen unsichtbare Bilder im Takt der Musik in die Luft. Wir alle sind sowohl freudig aufgeregt als auch traurig über das Ende der diesjährigen 14Plus Berlinale, das natürlich wieder viel zu schnell kam. Ein bittersüßes Gefühl, das für den Moment durch das Adrenalin beiseite gedrängt wird. Welche Filme werden in wenigen Minuten die acht Auszeichnungen tragen?

Maryanne und Tobi eröffnen die Preisverleihung wie jedes Jahr - die eine ruhig und gefasst, der andere im Vergleich dazu aufgeregt, nervös. Beide sind sie charmant. Beide sind sie über die Maßen glücklich. Eine Stimmung, die sich sofort auf das Publikum überträgt. Spätestens, als Tobi seine Erleuchtung des Abends hat, den Ausdruck „lit af“ als „lit as fuck“ erkennt und die letzten beiden Worte wie ein Kind ins Mikrofon ruft, ist die gespannte Menge komplett losgelöst und muss sich lachend den Bauch halten. Der Funke ist übergesprungen. Noch eine Weile begleitet uns der vom Präsidenten der Bundeszentrale für Politische Bildung, Thomas Krüger, eingeführte Ausdruck.

Wie schon bei der Eröffnung sorgt die Internationale Jury bei den Gruppenfotos für viele lustige Motive, ehe sie sich dem etwas ernsteren Teil des Abends widmet. Für uns stellt das Erraten der Preisträger anhand der vorgelesenen Beschreibungen mitunter den größten Spaß an den Preisverleihungen dar. Anders geht es uns auch dieses Mal nicht, als wir gespannt den Worten der Jury lauschen. Doch beide Kurzfilme, die sie küren, stammen aus der Kurzfilmrolle 2. Sowohl Into the Blue (Lobende Erwähnung) als auch The Jungle Knows You Better Than You Do (Geldpreis) werde ich selbst also erst Morgen zu Gesicht bekommen.
Mit ihrer Langfilmauswahl sind Sarah, Liv und ich, die wir wie auf heißen Kohlen alle nebeneinander sitzen, vollauf zufrieden. Ben Niao (Lobende Erwähnung) verdient seine Anerkennung als authentische Darstellung des chinesischen Landlebens und bei den Machern von Shkola Nomer 3 (Geldpreis) sind die 7.500 € der BPB wunderbar aufgehoben, um noch mehr Filme dieser berührenden und aufrüttelnden Art zu ermöglichen.

Als die Jugendjury ihre einleitenden Worte spricht, fühlen wir uns sofort angesprochen. Sie bezeichnet sich selbst als „liebevolle Zweckgemeinschaft“ und das trifft es auch bei uns genau auf den Kopf. Auch wenn wir mittlerweile schon fast wie eine kleine Berlinalefamilie sind, so waren unsere Anfangsjahre doch von genau diesem Gefühl geprägt und getrieben.
Letztendlich kann uns die diesjährige Jugendjury auch mit allen vier Preisentscheidungen überzeugen. Der durchaus verstörende Kurzfilm Snip (Lobende Erwähnung) verdient seine Auszeichnung für die ihm innewohnende Aufklärungsarbeit über den kanadischen Kulturgenozid; Wolfe (Gläserner Bär) hat mich bereits bei meinem ersten Screening vollkommen überzeugt und ich freue mich sofort, ihn noch einmal auf der großen Leinwand zu sehen.
Mit der Lobenden Erwähnung für Ceux qui font… ehrt die Jury in meinen Augen den Mut, sich künstlerisch so vollkommen frei zu entfalten und einen Film abseits jeglicher Norm zu drehen. Für diese Entscheidung verdient sie meinen größten Respekt.
Kaum haben die beiden Jurymitglieder ihre Beschreibung des Gewinnerfilms begonnen, nicken Liv und ich uns auch schon wissend zu: Butterfly Kisses. Wir hatten bereits von Anfang an die Vermutung gehegt, dass es dieser Film am Ende sein könnte, und waren uns seit einigen Tagen sehr sicher gewesen.

Während Maryanne sich auf der Bühne vom Publikum verabschiedet und uns viel Spaß bei den Vorstellungen wünscht, unterhalten wir uns über die diesjährigen Auszeichnungen - und stellen fest, dass wir zufriedener kaum sein könnten. Viele unserer Vermutungen und Hoffnungen haben sich bestätigt. Es wurden endlich wieder acht verschiedene Filme ausgezeichnet, wie es im Idealfall geschieht. Und die Gewinnerfilme sind tatsächlich welche, die man sich gerne noch einmal ansieht, statt wie in den letzten Jahren im Falle eines wiederholten Screenings eher den Saal zu verlassen, weil sie noch vom ersten Screening zu schwer im Magen liegen, als dass man sich noch ein weiteres Mal mit ihnen auseinandersetzen könnte.

Wir lehnen uns also entspannt zurück, lassen Wolfe und Butterfly Kisses ein weiteres Mal auf uns wirken und können dabei auf die kleinen Details achten, die uns beim ersten Sichten entfallen sind.
Eine gelungene Preisverleihung, würdige Gewinner und eine wundervolle Atmosphäre für den Abschluss der diesjährigen Generation 14Plus.
Danke.

17.02.2017, Johanna Gosten

Die verrückten fünf Minuten


Es ist Viertel nach 6, als wir das HKW betreten, doch schon jetzt hat sich eine kleine solide Menschentraube vor dem Einlass gebildet. Wir schlängeln uns durch zu Klara und setzen uns zu ihr. Mit der Zeit treffen immer mehr von uns ein, es wird voller, letzte Karten werden über das Meer von Menschen gereicht, damit sie rechtzeitig vor Einlass den Besitzer erreichen.
Die letzten Filmteams haben mittlerweile den roten Teppich verlassen, die Wartenden sich erhoben und in Lauerstellung begeben. Jede Geste des für den Einlass verantwortlichen Personals wird genauestens beobachtet. Noch ein letztes Mal wird abgeklärt, wie viele Sitzplätze blockiert werden müssen und schon geht es los. Der Run auf die besten Sitzplätze, welche auch immer damit gemeint sind - denn jeder scheint hiervon eine andere Interpretation zu besitzen - ist eröffnet. Wie immer wird sich bemüht, die rennende Meute zu entschleunigen, doch wie üblich schlägt dieser Versuch fehl.
Das letzte Hindernis: Die Türen mit den sich der Meute entgegenstellenden Einlassern. Allzu ungeduldig wird gewartet, bis die Karte gescannt wurde, dann wird weiter gerannt. Links oder rechts? Schnell, da ist etwas frei. Taschen, Jacken, Schals werden von sich geworfen. Was kann noch alles zum Reservieren der Plätze genutzt werden? Nun die erste Beruhigung. Die Plätze sind gesichert, müssen jetzt nur noch verteidigt werden.
Langsam tröpfelt der Rest ein.

17.02.2017, Sarah Gosten

Auf der Suche nach Geborgenheit

Donnerstag 17.00 Uhr, nach sechs Tagen intensiver Berlinale ist dem Publikum die Erschöpfung deutlich anzusehen, trotzdem ist jeder noch voll Leidenschaft und Vorfreunde dabei, als sich das Filmteam von „The Inland Road“ in dem Saal einfindet und der geliebte Berlinale-Vorspann ertönt. Der Film beginnt. Wir sehen eine lange Landstraße, links und rechts Graslandschaft Neuseelands, weit und breit nichts anderes. Am Straßenrand ein Mädchen, Anhalter. Wo will sie hin?

„The Inland Road“ erzählt die Geschichte des 16-Jährigen Maori-Mädchens Tia. Nachdem sie wegen eines Streites mit ihrer Mutter von zu Hause weggelaufen ist reist sie per Anhalter über die Südinsel Neuseelands – ohne größeres Ziel. Mal fährt sie hier ein paar Kilometer, dann beim nächsten und wiedernächsten, bis ein Autofahrer, der sie mitnimmt, die Kontrolle über seinen Wagen verliert und Tia in einen schrecklichen Autounfall gerät, bei dem nur sie und der Fahrer Will überleben. Da Tia keinen Ort hat, zu dem sie gehen kann, zieht sie auf unbestimmte Zeit bei Will und dessen Frau Donna ein, bei der Tias Anwesenheit von Anfang an Unbehagen auslöst. Doch trotzdem bleibt Tia vorerst und es entsteht eine innere Reise und Entwicklung, an deren Ende sie sich seit langem wieder geborgen fühlt und ein Umfeld und Ort hat, den sie gerne als ihr zu Hause bezeichnen würde, was auch an der 4-Järigen Nichte Wills liegt, für die Tia eine Art Mutterrolle übernimmt.

Vorsichtig werden an den Zuschauer die verschiedenen Charaktere herangeführt, die von Grund auf sehr kontrastreich sind, sich im Laufe der Geschichte aber austauschen, auf verschiedenen Ebenen begegnen und harmonieren. Zum einen ist dort das aus dem Norden stammende Maori Mädchen das gar nicht in die Welt, in die es eindringt, zu passen scheint. Denn hier herrscht der geordnete Alltag, Will und Donna, die bald ein Kind erwarten betreiben eine Farm und vertieft in den Aufbau eines Familienlebens. Der Tod von Wills Schwager, der den Autounfall nicht überlebte, bringt Ungleichgewicht in diese Ordnung, sodass alles durcheinander gewürfelt ist, aber trotzdem auf irgendeine Weise funktioniert.

Tia kümmert sich in dieser Zeit um die Tochter des Verstorbenen Schwagers und geht in der Rolle unglaublich auf, sodass ihre durch den Streit und Unfall gedämpfte Lebenslust wieder neu aufgeht. Außerdem kommt sie Will näher – was ebenfalls für neues Lebensgefühl sorgt, gleichzeitig aber eine Menge Verwirrung und Konflikte streut.
Durch „The Inland Road“ bekommen wir den inneren Konflikt eines Jungen Mädchens vermittelt, die sich verloren fühlt und nach Zugehörigkeit und heimatlichen Gefühlen sucht. Tia wird gespielt von Gloria Popata, die in ihrem ersten Film mit überzeugender schauspielerischer Leistung die Visions- und Hilflosigkeit der Protagonistin auf die Leinwand bringt.

Der Film findet genau das perfekte Mittelmaß zwischen der Konfliktdarstellung und einem schön anzusehenden Film. Obwohl das Thema eher traurig ist, hat der Film auch viele Momente, in denen man lachen kann und einem das Herz aufgeht. Dazu lässt er sich durch die tollen Naturaufnahmen Neuseelands und interessanten und abwechslungsreichen Einstellungen sehr gut schauen. Mit einer Länge von 80 Minuten ist der Film zwar relativ kurz, die Handlung außerdem relativ voraussehbar, aber ich konnte jede Minute genießen. Es gibt keine unnötig in die Länge gezogenen Stellen, trotzdem ist jede Szene genug ausgeschmückt.

Wie viele Generation Filme war auch „The Inland Road“ ein Low-Budget Film und wurde nur innerhalb von zwei Wochen gedreht. Die Hauptintention der Regisseurin Jackie van Beek war das Zusammenbringen mehrerer sehr unterschiedlicher Charaktere; während der Produktion hat sie auch noch Vieles verändert, so durften die Schauspieler beispielsweise auch viele Passagen selbst schreiben.
Ich finde Jackie van Beek ist ihrer anfänglichen Filmidee auf jeden Fall gerecht geworden und bringt dem Publikum die Situation der Protagonistin auf eine schöne Weise näher – „The Inland Road“ gehört damit unbedingt zu meinen Favoriten dieses Jahr!


English Version:

"The Inland Road" tells us the story of Tia, a 16-year-old Maori girl from North New Zealand, who hitch-hikes across the south of the island after she had a fight with her mother and ran away from home. When one car had an accident and Tia and the driver Will were the only survivors she moves to the farm of Will and his pregnant wife Donna for a little while.

Even if all characters are quite various (we have the young Maori girl on the one side, the future family with a regulated every day life on the other) they begin to talk with each other and harmonize over time. Especially Tia - who felt hopeless and alone before - finally sense affiliation and a feeling of home. Living on the farm she takes care of Wills four-year-old niece Lily, who opens Tias heart and soul. She also gets closer to Will, Tia becomes happier again – but it also brings up insecurity and conflicts.

The main actor, Gloria Popata, forceful brings the mixed feelings of a young girl who is searching for love and home on the screen. Combined with beautiful paintings of the landscape of New Zealand the film guides us softly across the story, also there are a few scenes where the audience can laugh and is touched from heartwarming conversations.

So for me the film is absolutely one of my favorites this year, the director Jackie van Beek finds a perfect way to tell a story of encounter new and various characters and the feelings of affiliation and security.

18.02.17, Clara Bahrs

Angdu


„Becoming Who I Was“ begleitet acht Jahre lang das Leben von Angdu und dem Dorfdoktor, den er liebevoll Onkel nennt, denn der kleine Junge Angdu ist ein Rinpoché. Das bedeutet, dass er in seinem früheren Leben in Tibet ein hoher buddhistischer Priester gewesen ist. Aus diesem Grund ist er jetzt schon in dem Dorf Ladakh sehr angesehen und wird von vielen verehrt. Jeder Priester braucht sein eigenes Kloster und Schüler, doch in ihrem Wohnort, gibt es keinen Platz mehr für Angdu, um die buddhistische Lehre zu studieren. Er muss also nach Tibet wandern, denn dort liegt seine wahre Berufung. Dabei steht ihnen der Konflikt zwischen Tibet und China im Wege, da die Chinesen keinen über die Grenze nach Tibet gehen lassen wollen.
Trotz all dem machen sich „Onkel“ und Rinpoché Angdu gemeinsam zu Fuß auf die Reise nach Tibet. Im Vordergrund steht hier allerdings nicht die Religion, sondern das besonders feinfühlige Verhältnis zwischen dem kleinen Jungen und seinem „Vater“.

Obwohl „Becoming Who I Was“ eine Dokumentation ist, fühlt man sich mitgerissen und berührt, weil man intime Momente zwischen den zwei Personen miterlebt. Sie wirken so authentisch, dass ich mich fragen muss, wie viel in diesem Film gestellt ist. Da die Dreharbeiten über einen so langen Zeitraum ausgeführt wurden, haben sich die beiden an die ständig begleitende Kamera gewöhnt.
Dieses wundervolle Miteinander fasziniert mich, denn zwischen Angdu und dem Dorfdoktor herrscht eine ganz besondere Mischung aus Respekt und Liebe. Der Rinpoché ist gegenüber ihm sehr dankbar, selbst für alltägliche Angelegenheiten, die für uns als selbstverständlich gelten. Zusammen haben sie genau so viel Spaß, wie Angdu mit seinen Freunden. Andersherum fühlt der Dorfdoktor intensiv für seinen kleinen Jungen, den er unter Obhut genommen hat. Er verehrt ihn als wiedergeborener Priester und möchte nur das Beste für ihn. Das geht teilweise so weit, dass der Junge mit 11 Jahren immer noch kein Feuer allein anzünden oder sich selbst etwas zum Essen kochen kann.

Man taucht hier wieder in eine komplett andere Kultur ein und erfährt vor allem etwas über den buddhistischen Glauben, obgleich er in diesem Film nur nebensächlich ist. So sehen es auch die koreanischen Regisseure, die beide dem Christentum angehören.

Ich finde es sehr spannend zu sehen, wie ernst man sein vorheriges Leben nehmen kann, diese Vorstellung bedingungslos annimmt und Menschen so hoch ansieht.
Dadurch wurde Angdu viel behüteter erzogen und macht sich deswegen überaus empfindliche Gedanken vor ungefährlichen Aktionen, wie z.B. Schlittenfahren, was sehr nett anzuschauen ist.

Zudem haben mich die ästhetischen Panoramabilder sowohl aus dem nordindischen Gebiet Lakha als auch die der Natur bis nach Tibet, die sie durchqueren begeistert. Man sieht Wüste, Steinwege und wunderschöne schneebedeckte Berge mit klarem blauem Himmel. Es muss eine richtige Herausforderung gewesen sein, mit einem ganzen Kamerateam durch 40 cm hohen Tiefschnee zu wandern. Am stärksten ist mir das Bild von den Hauptdarstellern in Rückansicht mit roten tibetischen Trachten vor der unberührten, weißen Schneelandschaft geblieben.
Wenn man gerne aufmerksam die Beziehung zwischen „Vater & Sohn“ verfolgt, fühlt man sich auch keineswegs gelangweilt. Sonst besteht die Gefahr, „Becoming Who I Was“ als langatmig zu betiteln.

Ich möchte den Film besonders Menschen ans Herz legen, die sich eine berührende Dokumentation mit kontrastreichen, verschiedenen Landschaftsaufnahmen ansehen wollen!
17.02.2017, Eva Swiderski

Eine unscheinbare Krankheit

Im Gespräch mit dem Regisseur und den Hauptdarstellern von Amelie rennt

Nach der Premiere von Amelie rennt, die das ganze Publikum begeisterte, hatten Liv und ich die Gelegenheit, uns mit dem Regisseur und den zwei Hauptdarstellern für eine kurze Zeit zu unterhalten.
Als wir in der italienischen Botschaft ankommen, herrscht großes Gewusel. Hier sind die Feierlichkeiten anlässlich der Filmpremiere im vollsten Gange. Umso glücklicher sind wir, dass sich die drei die Zeit für uns nehmen.
Im vorangegangenen Publikumsgespräch hatten wir bereits einige spannende Dinge über die Entstehung des Drehbuchs erfahren. Es war aus der persönlichen Erfahrung einer Mutter mit ihrem Asthma-kranken Kind, das sich partout nicht helfen lassen wollte, obwohl das doch so Vieles erleichtert hätte.
Zunächst gesellt sich der Regisseur, Tobias Wiemann, der bereits bei den Filmen Großstadtklein und Von einem, der auszog, das Fürchten zu lernen Regie geführt hatte, zu uns, wobei er sofort erst mal checkt, ob es seinem Baby gut geht, was ihn gleich sympathisch macht.
Er erzählt uns über seinen Weg zum Film, den er eigentlich so nie geplant hatte. Durch seine Ausbildung zum Mediengestalter Bild und Ton kam er zu einem Filmfestival und stellte hier fest “...dass die Menschen hier Geschichten erzählen und es tatsächlich Leute gibt, die sich dafür interessieren. Da dachte ich mir, das will ich auch.“
Von da an filmte er in seiner Freizeit mit Freunden, bis es schließlich immer größer wurde, seine Eltern Geld für die ersten Kurzfilme sammelten und er dann irgendwann sogar Spielfilme produzieren konnte.
Vor der Premiere von Amelie rennt war er sehr nervös, da natürlich unglaublich viel Zeit und Engagement in diesen Film geflossen ist. Man kann ihm auch jetzt noch, 2 Stunden nach Filmende, ansehen, wie erleichtert und glücklich er über die Reaktion des Publikums ist, das den Film mit einer solchen Freude aufgenommen hatte.
Nun stoßen auch die beiden Hauptdarsteller, Mia Kasalo, 14, die die Amelie spielt und Samuel Girardi, 16, der den Bart spielt, dazu. Mia hat bereits bei einem Film, der ebenfalls auf der Berlinale lief, „Das merkwürdige Kätzchen“, und in einigen weiteren Filmen, die im Fernsehen ausgestrahlt wurden, mitgespielt, während Samuel noch keinerlei filmische Vorerfahrung hatte. Es folgt ein nettes Gespräch.

fGR: Gibt es eine Szene, die für euch aus dem Film besonders heraussticht?
Samuel: Ich habe mich besonders mit der Wiederbelebungsszene beschäftig, da sie mir viel zu arbeiten gegeben hat.
Regisseur: Mich hat in dieser Szene vor allem die Reaktion des Publikums überrascht, weil ich einfach nie gedacht hätte, dass da gelacht wird.
Mia: Ja, das fand ich auch merkwürdig!
Liv, aus der Position des Zuschauers, versucht das zu erklären: Ich glaube das Publikum wusste, dass Amelie genau das machen würde, was sie nicht machen durfte und dass sie deshalb den Zaun anfassen würde. Und genau diese Annahme wurde bestätigt.
Samuel: Das gleiche war auch bei der Szene, als ich über meinen Onkel rede, der von einer Lawine verschüttet wurde. Da haben auch plötzlich alle gelacht.
Regisseur: Aber dann haben sie gemerkt, dass es eine ernste Geschichte wird und dann wurde es plötzlich ganz still. Das war so schön!

fGR: Welche Szene war denn am schwersten zu drehen?
Regisseur: Für mich war das die Szene auf der Wiese. Das war eine der ersten Szenen mit den beiden zusammen. Da war noch nicht klar, ob alles passt. Die beiden mussten sich erst kennenlernen und vertrauen. Das war nicht technisch schwer, sondern eher die Frage, ob der Film so funktioniert. Das war für mich ziemlich stressig.
Samuel: Ja, zurückblickend war die Spannung bei dieser Szene schon sehr hoch.
Regisseur: Gerade auch weil es für Samuel eine seiner ersten Szenen überhaupt war. Er hatte vorher noch gar nicht geschauspielert. Für mich persönlich ist es unvorstellbar, vor einer Kamera zu schauspielern, daher habe ich großen Respekt vor den beiden. Haben sie toll gemacht!

fGR: Gab es besondere Schwierigkeiten durch das Drehen in den Bergen?
Mia: Einmal hatten wir Probleme mit dem Wetter. Da sollte es eigentlich leicht sonnig werden und plötzlich mussten wir uns alle unter einem Felsen verstecken, aber das war eigentlich auch ganz lustig!
Samuel: Für mich war es schon ein Vorteil, dass ich das Ambiente gewöhnt bin. Ich könnte es mir nicht vorstellen, in einem Studio drehen zu müssen.
Regisseur: Ich kann eigentlich überall filmen, aber ich muss sagen, dass ich kein sonderlich großer Freund von den Bergen bin. Wenn ich Urlaub mache, dann lieber am Meer. Ich fand es in Bozen, auf allen Seiten von Bergen umgeben, sehr beengend. Also nur gut, dass wir häufig so weit oben gedreht haben.

fGR: Hattet ihr vorher schon Kontakt zu der Krankheit und hat der Film eure Sichtweise auf Asthma geändert?
Samuel: Meine Mutter hat tatsächlich Asthma, aber sie kommt mit der Krankheit gut klar. Ich weiß das eigentlich schon seit ich klein bin, aber mir ist nur hin und wieder aufgefallen, dass sie ihr Spray nehmen muss. Ansonsten geht es ihr gut, sie wandert auch sehr häufig auf die Berge und hat fast eine bessere Kondition als ich.
Mia: Mir war Asthma davor bekannt, aber ich wusste nicht so viel darüber. Für den Film habe ich viel recherchiert und wir haben einige Übungen gemacht, die mich mit der Krankheit ein wenig vertraut gemacht haben, aber letztendlich kann ich es natürlich nicht so wahrnehmen, wie Kinder, die wirklich darunter leiden.
Regisseur: Ich kannte Asthma davor nicht, es hat mich aber gleich sehr interessiert, als ich das Buch bekommen hab. Also habe ich einen Lehrgang mitgemacht, bei dem auch Kinder mit Neurodermitis dabei waren. Das hat mich sehr beschäftigt, vor allem wie sehr sie damit zu kämpfen haben und dass es so eine Kopfsache ist.
Mia: Ich hab auch gelesen, dass viele Kinder in meinem Alter, die Asthma haben, tatsächlich sehr ähnlich auf die Krankheit reagieren wie Amelie. Also mit dem Verschweigen und Ignorieren.
Samuel: Ich denke, die Stärke des Asthmas macht auch etwas aus. Viele sind sicherlich nicht im gleichen Maße betroffen wie Amelie.

fGR: Seid ihr beiden denn jetzt befreundet?
Mia: Ja, aber er wohnt in Italien und ich wohne in Berlin...
Samuel: Ja, ich wohne in Bozen, einer relativ kleinen Stadt mit hunderttausend Einwohnern.
Regissuer: Aber Samuel ist der Stadtmensch unter den Südtirolern!
Samuel: Ja, das kann man sogar so sagen! „Boah du warst in Berlin!“

fGR: Wurde die Kuh denn wirklich mit dem Helikopter abtransportiert?
Mia: Ja, das haben wir uns auch gefragt! Eine Frau hat sich danach erkundigt und wir wussten es selber nicht.
Regisseur: Nein, das wurde animiert. Aber die Kuh war tatsächlich oben auf dem Berg und wurde auch trainiert, um über das Feuer zu springen. Sie wurde in einem Hänger nach oben gefahren. Die Feuer auf den Bergen waren übrigens auch animiert.

Nach ein bisschen Berlinale-Smalltalk, in dem Mia und Samuel uns verraten, dass sie auch schon in einem anderen Film auf der Berlinale waren, wünschen wir ihnen noch einen schönen weiteren Premierentag und nach einem gemeinsamen Foto geht es für uns auf zum nächsten Film.

17.02.2017, Sarah Gosten

Wer reitet so spät durch Nacht und Wind?


Królewicz Olch begleitet einen hochintelligenten Jungen und zeigt dessen Blick auf die Welt. Dieser Film ist auf sehr künstlerische Weise umgesetzt, sodass man ihn nicht als herkömmlichen Film bezeichnen könnte. Ineinander verwobene Welten, bei denen nicht immer klar ist, ob es sich dabei um Realität oder Traum handeln, beherrschen den Film. Die düsteren Zitate aus Goethes Erlkönig geben dem Film eine bedrückende Stimmung. Auch die dunkle, Text schreiende Musik verleiht dem Film etwas Surreales.
Das Verständnis für den Film wird insoweit getragen, dass man mit dem Jungen mitfühlt, wenn es seiner Mutter mal wieder nur um die Preise geht. Auf die Frage: „Liebst du mich?“ erhält er nie eine Antwort.
Es wirkt, als wünsche er sich manchmal, einfach nur normal zu sein, an nichts forschen zu müssen, von seiner Mutter geliebt und den Klassenkameraden akzeptiert zu werden. Doch all das ist für ihn in weiter Ferne. Das ganze ist sogar so unwahrscheinlich, dass es nur in Parallelwelten stattfinden könnte, die er in seiner Vorstellung allerdings regelmäßig besucht.
Der plötzlich auftauchende Vater gibt dem Film einen Hauch von Menschlichkeit. Auch wenn er sehr wild, einem Wolf gar nicht so unähnlich ist, kann man ihn, seine Liebe und das Verständnis für Tiere noch eher nachvollziehen als die Einstellung der Mutter. Durch die unterschiedliche Musik, die verschiedenen Orte, die jeweils einem der beiden Charaktere zugeordnet werden können, und die Farbtöne wird dieser Kontrast hier dargestellt. Die jeweilige Musik wird ständig wiederholt. Bei der Mutter ein nerv tötender Klingelton, der unterstreicht, wie wenig man sich mit ihr identifizieren kann (und vielleicht auch soll), bei dem Sohn das Lied des Erlkönigs. Der Erlkönig scheint ihn magisch anzuziehen. Vieles dreht sich um ihn, doch woher diese Fokussierung kommt, bleibt unverständlich. Vielleicht dreht sich alles um das Ende, als das Kind in den Armen des Vaters plötzlich tot ist oder aber um die Tatsache, dass das Kind ganz andere Dinge, eine ganze andere Welt sieht als der Vater, und dies noch weiter verdeutlicht werden soll. Die Entscheidung über die Bedeutung bleibt jedem selbst überlassen.
Der Vater selbst wird von ebenfalls dunkler, auf Wölfe passenden Musik begleitet.

In diesen Film kann sicherlich sehr viel hineininterpretiert werden, da er auch viel Freiraum für eigene Auslegungen lässt. Er ist deswegen sehr verwirrend, irritierend und für das Publikum nicht sonderlich einfach zu verstehen. Bestimmt muss man sich auf den Film einlassen, aber selbst dann schafft er es nicht, mitzureißen.
Die einzelnen Szenen lassen nur verwirrt zurück.
Sicherlich, es handelt sich hierbei um Kunst und gerade Kunst muss interpretiert werden, um ein höheres Verständnis zu schaffen, doch gerade dieses Verständnis wird hier verfehlt.

English Version

Krolewicz Olch shows a highly intelligent boy and his view on the world. Being a very artistic movie this film is not what would be seen as conventional. Its interwoven worlds make it not quite easy to separate between reality and dream. Somber quotes of Goethes “Erl-king” and dark, shouting music dominate this movie, making it appear highly surreal.
As a viewer one can partly understand the protagonist. His mother only cares about the possible prices he could win in scientific competitions. His often asked question “Do you love me?” never gets answered. It seems as if he sometimes only wishes to be a normal boy: Not having to do research or experimenting on something, just being accepted by his classmates and loved by his mother. Since that seems to be highly unlikely he is seeking refuge in his parallel worlds finding comfort in his imaginations.

The sudden appearance of his father makes the film a bit more human, a bit more understandable. Although he seems to be more wolf than human one can feel his love and general understanding in animals which makes him easier to comprehend than the mother. Both are being characterized by a particular melody, which is played repeatedly at their appearance. In case of the mother this is the sound of her highly annoying ring tone. The father is characterized by a darker sound, more wolfish. Here again we have the preference for the father, being highly annoyed by the mother’s ring tone and passing that on to our conception of her.
Whenever the boy appears this dark song of the Erl-king is played. It seems as if he was magically attracted by this song, this poem. It is not quite understandable where this particular focus comes from. However, there is room for interpretation. Might be that it is all about the end: The child dies in the arms of his father, metaphorically showing that he himself dies although his mother is trying to save him - or the money she could win with the competitions - in her way. Might be that it is all about the child sensing different things than its father. In all cases this figuratively would be about the mother. It is up to the viewer, how to interpret that.

Though there is lots of room for interpretation it is only confusing and not easy to comprehend. It surely is necessary to be open, to be willing to accept this kind of movie but however hard I tried this simply was not possible. This might also be due to the advanced time of the week having already watched so many other films and not being able to take in such kind of films anymore. However, other people who did not watch as many films as I did seemed to have similar understanding problems.



17.02.2017, Sarah Gosten