Angdu


„Becoming Who I Was“ begleitet acht Jahre lang das Leben von Angdu und dem Dorfdoktor, den er liebevoll Onkel nennt, denn der kleine Junge Angdu ist ein Rinpoché. Das bedeutet, dass er in seinem früheren Leben in Tibet ein hoher buddhistischer Priester gewesen ist. Aus diesem Grund ist er jetzt schon in dem Dorf Ladakh sehr angesehen und wird von vielen verehrt. Jeder Priester braucht sein eigenes Kloster und Schüler, doch in ihrem Wohnort, gibt es keinen Platz mehr für Angdu, um die buddhistische Lehre zu studieren. Er muss also nach Tibet wandern, denn dort liegt seine wahre Berufung. Dabei steht ihnen der Konflikt zwischen Tibet und China im Wege, da die Chinesen keinen über die Grenze nach Tibet gehen lassen wollen.
Trotz all dem machen sich „Onkel“ und Rinpoché Angdu gemeinsam zu Fuß auf die Reise nach Tibet. Im Vordergrund steht hier allerdings nicht die Religion, sondern das besonders feinfühlige Verhältnis zwischen dem kleinen Jungen und seinem „Vater“.

Obwohl „Becoming Who I Was“ eine Dokumentation ist, fühlt man sich mitgerissen und berührt, weil man intime Momente zwischen den zwei Personen miterlebt. Sie wirken so authentisch, dass ich mich fragen muss, wie viel in diesem Film gestellt ist. Da die Dreharbeiten über einen so langen Zeitraum ausgeführt wurden, haben sich die beiden an die ständig begleitende Kamera gewöhnt.
Dieses wundervolle Miteinander fasziniert mich, denn zwischen Angdu und dem Dorfdoktor herrscht eine ganz besondere Mischung aus Respekt und Liebe. Der Rinpoché ist gegenüber ihm sehr dankbar, selbst für alltägliche Angelegenheiten, die für uns als selbstverständlich gelten. Zusammen haben sie genau so viel Spaß, wie Angdu mit seinen Freunden. Andersherum fühlt der Dorfdoktor intensiv für seinen kleinen Jungen, den er unter Obhut genommen hat. Er verehrt ihn als wiedergeborener Priester und möchte nur das Beste für ihn. Das geht teilweise so weit, dass der Junge mit 11 Jahren immer noch kein Feuer allein anzünden oder sich selbst etwas zum Essen kochen kann.

Man taucht hier wieder in eine komplett andere Kultur ein und erfährt vor allem etwas über den buddhistischen Glauben, obgleich er in diesem Film nur nebensächlich ist. So sehen es auch die koreanischen Regisseure, die beide dem Christentum angehören.

Ich finde es sehr spannend zu sehen, wie ernst man sein vorheriges Leben nehmen kann, diese Vorstellung bedingungslos annimmt und Menschen so hoch ansieht.
Dadurch wurde Angdu viel behüteter erzogen und macht sich deswegen überaus empfindliche Gedanken vor ungefährlichen Aktionen, wie z.B. Schlittenfahren, was sehr nett anzuschauen ist.

Zudem haben mich die ästhetischen Panoramabilder sowohl aus dem nordindischen Gebiet Lakha als auch die der Natur bis nach Tibet, die sie durchqueren begeistert. Man sieht Wüste, Steinwege und wunderschöne schneebedeckte Berge mit klarem blauem Himmel. Es muss eine richtige Herausforderung gewesen sein, mit einem ganzen Kamerateam durch 40 cm hohen Tiefschnee zu wandern. Am stärksten ist mir das Bild von den Hauptdarstellern in Rückansicht mit roten tibetischen Trachten vor der unberührten, weißen Schneelandschaft geblieben.
Wenn man gerne aufmerksam die Beziehung zwischen „Vater & Sohn“ verfolgt, fühlt man sich auch keineswegs gelangweilt. Sonst besteht die Gefahr, „Becoming Who I Was“ als langatmig zu betiteln.

Ich möchte den Film besonders Menschen ans Herz legen, die sich eine berührende Dokumentation mit kontrastreichen, verschiedenen Landschaftsaufnahmen ansehen wollen!
17.02.2017, Eva Swiderski

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