Eine unscheinbare Krankheit

Im Gespräch mit dem Regisseur und den Hauptdarstellern von Amelie rennt

Nach der Premiere von Amelie rennt, die das ganze Publikum begeisterte, hatten Liv und ich die Gelegenheit, uns mit dem Regisseur und den zwei Hauptdarstellern für eine kurze Zeit zu unterhalten.
Als wir in der italienischen Botschaft ankommen, herrscht großes Gewusel. Hier sind die Feierlichkeiten anlässlich der Filmpremiere im vollsten Gange. Umso glücklicher sind wir, dass sich die drei die Zeit für uns nehmen.
Im vorangegangenen Publikumsgespräch hatten wir bereits einige spannende Dinge über die Entstehung des Drehbuchs erfahren. Es war aus der persönlichen Erfahrung einer Mutter mit ihrem Asthma-kranken Kind, das sich partout nicht helfen lassen wollte, obwohl das doch so Vieles erleichtert hätte.
Zunächst gesellt sich der Regisseur, Tobias Wiemann, der bereits bei den Filmen Großstadtklein und Von einem, der auszog, das Fürchten zu lernen Regie geführt hatte, zu uns, wobei er sofort erst mal checkt, ob es seinem Baby gut geht, was ihn gleich sympathisch macht.
Er erzählt uns über seinen Weg zum Film, den er eigentlich so nie geplant hatte. Durch seine Ausbildung zum Mediengestalter Bild und Ton kam er zu einem Filmfestival und stellte hier fest “...dass die Menschen hier Geschichten erzählen und es tatsächlich Leute gibt, die sich dafür interessieren. Da dachte ich mir, das will ich auch.“
Von da an filmte er in seiner Freizeit mit Freunden, bis es schließlich immer größer wurde, seine Eltern Geld für die ersten Kurzfilme sammelten und er dann irgendwann sogar Spielfilme produzieren konnte.
Vor der Premiere von Amelie rennt war er sehr nervös, da natürlich unglaublich viel Zeit und Engagement in diesen Film geflossen ist. Man kann ihm auch jetzt noch, 2 Stunden nach Filmende, ansehen, wie erleichtert und glücklich er über die Reaktion des Publikums ist, das den Film mit einer solchen Freude aufgenommen hatte.
Nun stoßen auch die beiden Hauptdarsteller, Mia Kasalo, 14, die die Amelie spielt und Samuel Girardi, 16, der den Bart spielt, dazu. Mia hat bereits bei einem Film, der ebenfalls auf der Berlinale lief, „Das merkwürdige Kätzchen“, und in einigen weiteren Filmen, die im Fernsehen ausgestrahlt wurden, mitgespielt, während Samuel noch keinerlei filmische Vorerfahrung hatte. Es folgt ein nettes Gespräch.

fGR: Gibt es eine Szene, die für euch aus dem Film besonders heraussticht?
Samuel: Ich habe mich besonders mit der Wiederbelebungsszene beschäftig, da sie mir viel zu arbeiten gegeben hat.
Regisseur: Mich hat in dieser Szene vor allem die Reaktion des Publikums überrascht, weil ich einfach nie gedacht hätte, dass da gelacht wird.
Mia: Ja, das fand ich auch merkwürdig!
Liv, aus der Position des Zuschauers, versucht das zu erklären: Ich glaube das Publikum wusste, dass Amelie genau das machen würde, was sie nicht machen durfte und dass sie deshalb den Zaun anfassen würde. Und genau diese Annahme wurde bestätigt.
Samuel: Das gleiche war auch bei der Szene, als ich über meinen Onkel rede, der von einer Lawine verschüttet wurde. Da haben auch plötzlich alle gelacht.
Regisseur: Aber dann haben sie gemerkt, dass es eine ernste Geschichte wird und dann wurde es plötzlich ganz still. Das war so schön!

fGR: Welche Szene war denn am schwersten zu drehen?
Regisseur: Für mich war das die Szene auf der Wiese. Das war eine der ersten Szenen mit den beiden zusammen. Da war noch nicht klar, ob alles passt. Die beiden mussten sich erst kennenlernen und vertrauen. Das war nicht technisch schwer, sondern eher die Frage, ob der Film so funktioniert. Das war für mich ziemlich stressig.
Samuel: Ja, zurückblickend war die Spannung bei dieser Szene schon sehr hoch.
Regisseur: Gerade auch weil es für Samuel eine seiner ersten Szenen überhaupt war. Er hatte vorher noch gar nicht geschauspielert. Für mich persönlich ist es unvorstellbar, vor einer Kamera zu schauspielern, daher habe ich großen Respekt vor den beiden. Haben sie toll gemacht!

fGR: Gab es besondere Schwierigkeiten durch das Drehen in den Bergen?
Mia: Einmal hatten wir Probleme mit dem Wetter. Da sollte es eigentlich leicht sonnig werden und plötzlich mussten wir uns alle unter einem Felsen verstecken, aber das war eigentlich auch ganz lustig!
Samuel: Für mich war es schon ein Vorteil, dass ich das Ambiente gewöhnt bin. Ich könnte es mir nicht vorstellen, in einem Studio drehen zu müssen.
Regisseur: Ich kann eigentlich überall filmen, aber ich muss sagen, dass ich kein sonderlich großer Freund von den Bergen bin. Wenn ich Urlaub mache, dann lieber am Meer. Ich fand es in Bozen, auf allen Seiten von Bergen umgeben, sehr beengend. Also nur gut, dass wir häufig so weit oben gedreht haben.

fGR: Hattet ihr vorher schon Kontakt zu der Krankheit und hat der Film eure Sichtweise auf Asthma geändert?
Samuel: Meine Mutter hat tatsächlich Asthma, aber sie kommt mit der Krankheit gut klar. Ich weiß das eigentlich schon seit ich klein bin, aber mir ist nur hin und wieder aufgefallen, dass sie ihr Spray nehmen muss. Ansonsten geht es ihr gut, sie wandert auch sehr häufig auf die Berge und hat fast eine bessere Kondition als ich.
Mia: Mir war Asthma davor bekannt, aber ich wusste nicht so viel darüber. Für den Film habe ich viel recherchiert und wir haben einige Übungen gemacht, die mich mit der Krankheit ein wenig vertraut gemacht haben, aber letztendlich kann ich es natürlich nicht so wahrnehmen, wie Kinder, die wirklich darunter leiden.
Regisseur: Ich kannte Asthma davor nicht, es hat mich aber gleich sehr interessiert, als ich das Buch bekommen hab. Also habe ich einen Lehrgang mitgemacht, bei dem auch Kinder mit Neurodermitis dabei waren. Das hat mich sehr beschäftigt, vor allem wie sehr sie damit zu kämpfen haben und dass es so eine Kopfsache ist.
Mia: Ich hab auch gelesen, dass viele Kinder in meinem Alter, die Asthma haben, tatsächlich sehr ähnlich auf die Krankheit reagieren wie Amelie. Also mit dem Verschweigen und Ignorieren.
Samuel: Ich denke, die Stärke des Asthmas macht auch etwas aus. Viele sind sicherlich nicht im gleichen Maße betroffen wie Amelie.

fGR: Seid ihr beiden denn jetzt befreundet?
Mia: Ja, aber er wohnt in Italien und ich wohne in Berlin...
Samuel: Ja, ich wohne in Bozen, einer relativ kleinen Stadt mit hunderttausend Einwohnern.
Regissuer: Aber Samuel ist der Stadtmensch unter den Südtirolern!
Samuel: Ja, das kann man sogar so sagen! „Boah du warst in Berlin!“

fGR: Wurde die Kuh denn wirklich mit dem Helikopter abtransportiert?
Mia: Ja, das haben wir uns auch gefragt! Eine Frau hat sich danach erkundigt und wir wussten es selber nicht.
Regisseur: Nein, das wurde animiert. Aber die Kuh war tatsächlich oben auf dem Berg und wurde auch trainiert, um über das Feuer zu springen. Sie wurde in einem Hänger nach oben gefahren. Die Feuer auf den Bergen waren übrigens auch animiert.

Nach ein bisschen Berlinale-Smalltalk, in dem Mia und Samuel uns verraten, dass sie auch schon in einem anderen Film auf der Berlinale waren, wünschen wir ihnen noch einen schönen weiteren Premierentag und nach einem gemeinsamen Foto geht es für uns auf zum nächsten Film.

17.02.2017, Sarah Gosten

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